Die Vergangenheit ist niemals tot. Sie ist nicht einmal vergangen. (William Faulkner)
Mache mit: Wer hier liest und selber Erlebnisse zum Thema NAK in der DDR hatte, darf gerne seinen Erfahrungsbericht, der absolut vertraulich behandelt wird, an mich schicken. In Absprache kann dies dann anonymisiert für andere Leser hier eingestellt werden.
Einführung:
Sie finden auf dieser Unterseite unter dem Motto ´Aufklärung statt Vertuschung` in den Artikeln eine Sammlung umfangreicher, historischer Quellen zum Verhalten der NAK-Führung besonders zur Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR. Olaf Wielands Aufforderung, die entsprechenden Stasiakten der neuapostolischen IM´s in der DDR öffentlich einzustellen, kam die Neuapostolische Kirche International auch über 30 Jahre nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes nicht nach. Deshalb sollen hier in einer umfassenden Offenlegung der von Wieland recherchierten Stasiberichte diese Informationen der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden. Die teilweise imhaltliche Banalität der neuapostolischen Spitzel mag den Leser nicht veranlassen zu denken:"Na, was soll es, so schlimm war das doch nicht!" Es geht nicht um die Wichtigkeit der Inhalte, sondern um die Tatsache an sich, dass zahlreiche Seelsorger der NAK bis hin zu Bezirksaposteln in der DDR ihr Amt dazu missbraucht haben, in vertraulichen Gesprächen erworbenes Wissen an die Stasi weitergegeben zu haben und nicht staatstreue Mitglieder mit harten Sanktionen belegten. Die geheimen Treffen der IM´s mit ihrem Führungsoffizier fanden in sogenannten "konspirativen Wohnungen" statt. Das ist eklatant und verdient eine besondere Hervorhebung und Begriffserklärung für den heutigen Leser:
"Konspirative Wohnung: Wohnung (bzw. Zimmer), die dem MfS von einem IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens (IMK/KM) zur Verfügung gestellt wird. In der KW werden bei Gewährleistung des Schutzes, der Konspiration und Sicherheit der IM Treffs durchgeführt.
Die festgelegten Maßnahmen zur Legendierung der Treffs in der KW sind unter Einbeziehung ihres Inhabers systematisch und gewissenhaft durchzusetzen. Insbesondere durch periodische Überprüfungen des Inhabers und dessen Familie sowie der Umgebung der KW sind die Voraussetzungen für ihre weitere Benutzbarkeit festzustellen und bei Hinweisen auf Dekonspiration oder Gefahren für die Konspiration Entscheidungen zur weiteren Nutzung zu treffen. Zur Gewährleistung der Konspiration ist weiterhin zu sichern, daß nur überprüfte und zuverlässige IM einer den objektiven Bedingungen entsprechenden und vertretbaren Anzahl in einer KW getroffen werden und darüber eine konkrete Dokumentation erfolgt."(Quelle: Siegfried Suckut (Hg.): Das Wörterbuch der Staatssicherheit. Definitionen zur "politisch-operativen Arbeit", (Ch. Links Verlag 1996, wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftragten 5), Berlin 1996, 217.) Weitere Info zumThema
Mit diesem durchorganisierten Denunziantentum bis hin zu den untersten Kirchenämtern waren sie also im Sinne des Staates politisch tätig und unterstützten das unterdrückende SED-Regime. Zudem konnten sie in keinem Fall wissen, welche Folgen für die Betroffenen aus den übermittelten Informationen entstanden und welcher Druck dadurch von den Staatsorganen auf sie ausgeübt werden konnte. Mit ihrem kirchlichen Amt und den damit verbundenen seelsorgerischen Aufgaben lässt sich dieses Spitzelverhalten jedenfalls in keinem Fall vereinbaren! Anzumerken ist zudem, dass jeder neuapostolische Priester angehalten war, von den Hausbesuchen bei Geschwistern dem jeweiligen Vorsteher Mitteilung zu machen, auch inhaltlich. Der wiederum hat diese Informtionen in der Hierarchie nach oben weitergeleitet. Das Beichtgeheimniss, was auch für die NAK gilt, wurde damit permanent verletzt, ohne dass die betroffenen Geschwister davon etwas wussten ...
Artikel DS
16.4. 2021 Detlef Streich: Anmerkungen zur NAK zu Zeiten des Kaiserreichs, des Nationalsozialismus und in der DDR
6.5.2021 Detlef Streich: Offener Brief an den Stammapostel/ Kirchenpräsidenten der Neuapostolischen Kirche (NAK) Jean-Luc Schneider zur heutigen Haltung der NAK und ihrer Historie
1.5.2021 Aus dem deutschen Bundesarchiv ein Bericht des MfS (Ministerium für Staatssicherheit): Über die Haltung [...] der Neuapostolischen Kirche der DDR zur neuen Verfassung (1968)
Artikel und Berichte von Olaf Wieland:
19.4. 2021 Zur Person Olaf Wieland NEU 20.5.21 Ergänzung mit weiteren Forderungen
16.4.2021 Hochrangige Vertreter der Neuapostolischen Kirche waren Spitzel - Ein Interview mit Olaf Wieland (2004)
19.4.2021 „Vom Segen gemeinsamer Arbeit“ Neuapostolische Kirche (NAK) und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der damaligen DDR (2014)
23.4.2021 Offener Brief an den Bezirksapostel i. R. Willy Adam NAK-Mecklenburg zu seiner
IM-Tätigkeit für die Stasi (2004)
24.4.2021 BezAp Kurt Kortüm war Inoffizieller Mitarbeiter (IM Deckname „Kurt Sigmund“) für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) - Ein Geheimer Bericht über seine Anwerbung durch die DDR-Sicherheitsorgane (1971)
NEU 20.5.21 Erste Anwerbung vom BÄ Willy Adam als IM des MfS (Stasibericht von 1960)
Anmerkungen zur NAK zu Zeiten des Kaiserreichs, des Nationalsozialismus und in der DDR (pdf mit dem Offenen Brief)
Autor: Detlef Streich (Fassung vom 7.Mai 2021)
Gliederung:
Abstract (Kurzzusammenfassung)
- Einführung
- Exkurs: Die NAK im Nationalsozialismus
- Einschub zur Bücherverbrennung
- Einschub zur Wirksamkeit ideologischer Systeme
- Amtsmissbrauch durch die Apostel der NAK
- Conclusio
- Offener Brief zum Thema an Stap Schneider
Matthäus 5, 23f "Darum, wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe."
Abstract (Wesentliche Kurzzusammenfassung des Artikels)
Anhand von Zitaten und Berichten wird im Artikel ausführlich dargestellt, wie sich die Kirchenführung der NAK zu Zeiten des Kaiserreichs, des Nationalsozialismus und in der DDR zum bereitwilligen Handlanger des jeweiligen Staates und seiner Ziele gemacht und christliche Verhaltensweisen und seelsorgerische Verantwortung dabei über Bord geworfen hat.
Der 1908 eingeführte 10. Glaubensartikel ermöglichte es der NAK-Führung, die funktionale Trennung zwischen Staat und Kirche aufzuheben und die jeweiligen politischen Ziele zu gleichrangigen Glaubensgrundsätzen zu erheben, denen die NAK-Mitglieder in absolutem Gehorsam folgen mussten. Dies konnte funktionieren, weil die Struktur diktatorischer und totalitärer Systeme auch den Struktur- und Wertevorstellungen der autoritären Kirchenführung entsprach.
Staatlich wie kirchlich wurden eigens ideologische Denkwelten konstruiert, die die vorhandene menschliche Wirklichkeit durch eine fiktive Parallelwelt ersetzten und in denen die aufgebaute Schein-Welt zur kollektiv geglaubten Wahrheit wurde. Damit stabilisierte und legitimierte die NAK durch die Übernahme der staatlichen Denk- und Verhaltensvorgaben automatisch ihre eigene Richtigkeit und Existenzberechtigung.
Keinesfalls ging es - wie offiziell bisher stets behauptet – um eine bloße Anbiederung oder erforderliche Anpassung als Überlebensstrategie an diese zeitbedingten politischen Systeme. Die Ursache der Annäherung liegt vielmehr in der Gleichartigkeit des Denkens: Das Ziel und Kernstück beider Systeme ist nicht das Wohl der an sie glaubenden Menschen, sondern die voraussetzungslose und absolut eingeforderte, unbedingte Nachfolge gegenüber den jeweils geistlichen Führern und der Erhalt ihres Machtapparates. Die Person als Einzelne galt nichts, sondern ihre uneingeschränkte Hingabe an die Sache. Die vollständige Unterstützung der aufgebauten Institutionen und Strukturen waren kirchlich wie politisch der Gradmesser ihrer Treue zum System, auch und explizit zur Institution der NAK.
Alle daran mitarbeitenden Amtsträger der NAK im Nationalsozialismus und in der DDR machten und machen sich noch heute durch ihr Schweigen des Amts- und Machtmissbrauchs schuldig. Sie sind und waren nicht nur Mitläufer wie so manche anderen gesellschaftlichen Mitglieder, sondern müssen als Täter angesehen werden, die das System NAK bis auf den heutigen Tag um den Preis der Selbstaufgabe der Kirchenmitglieder stützen und erhalten.
Die Unterseite "Die NAK in der DDR" dient dazu, Material zu diesem Thema, was bisher an verschiedenen Orten zugänglich war, nun hier zusammenzufassen und Interessierten Menschen zugänglich zu machen. Inhaltlich verantwortlich für alle Texte ist Olaf Wieland, der selbst in der DDR aufgewachsen ist und sich seit der Wende umfangreich diesem Thema als Forschungsarbeit gewidmet hat. Schon zu DDR-Zeiten war bekannt, dass die NAK-Führung der DDR intensive Kontakte zu Regierungsstellen, insbesondere auch zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS, Akronym Stasi = Staatssicherheitsdienst u.a. als innenpolitische Geheimpolizei tätig) der DDR pflegte. Argumentiert wurde damals wie auch heute noch die Notwendigkeit zu dieser Zusammenarbeit, um in dem totalitären Staatssystem nicht unterzugehen. Olaf Wieland hat aber durch akribische Nachforschungen aufgedeckt, dass hinter dieser Beziehung und der kollaborativen Zusammenarbeit weit mehr steckte als notwendiger Opportunismus oder eine simple Anbiederung.
Wie beim Forschungsbericht über die Botschaftszeit Stammapostel Bischoffs , der nie veröffentlicht wurde, weigert sich die Neuapostolische Kirche in Gestalt ihrer Bezirksapostel und des Stammapostels immer noch strikt, heikle Themen ihrer Vergangenheit ungeschönt und ehrlich offenzulegen, obwohl z.B. die NAK-Berlin/Brandenburg sicher umfangreiches Material zum Thema DDR-Geschichte in ihren Archiven hat. Wie viel persönliches Leid und repressiver Druck unter den Kirchenmitgliedern, die nicht konform mit dem DDR-Staat und seinen politischen Forderungen und Maßnahmen waren, von der Kirchenleitung der NAK in der DDR erzeugt wurde und wie unglaublich eng die Zusammenarbeit mit der Stasi war, davon werden die nach und nach hier eingestellten Artikel von Olaf Wieland berichten. An Hand von Fakten wird offengelegt werden, wie sich die Kirchenführung der NAK in der DDR zum bereitwilligen Handlanger der Stasi gemacht und christliche Verhaltensweisen oder seelsorgerische Verantwortung dabei schlichtweg über Bord geworfen hat. Mit einem historischen Exkurs soll zudem aufgezeigt werden, dass dieses Verhalten der Zusammenarbeit der NAK mit totalitären Staatssystemen von Anfang an ein grundsätzlicher Teil ihrer Strategie war, gerade und besonders ausgeprägt in der Zeit des Nationalsozialismus.
Der markante und vielleicht provokante klingende Satz von Rupert Lay, dass Systemagenten stets Faschisten sind, weil ihnen die Interessen des Systems immer und ausnahmslos wichtiger sind als die in ihm befindlichen Menschen, ja dass grundlegende Menschenrechte beiseitegelegt und ignoriert werden, um das System Staat - oder bis auf den heutigen Tag auch das System NAK-Kirche - als Institution unter allen Umständen aufrecht zu erhalten, wird durch die hier zitierten Texte und Zusammenhänge mehr als deutlich aufgedeckt. Das totalitäre System der DDR und das kirchlich strikt autoritäre System der NAK waren und sind Glaubenssysteme, in denen man unter polemischen Floskeln gemeinsam brüderlich geeint der Zukunft zugewandt dem Guten und dem Frieden diente und mit der Jugend - als dem neuen Geschlecht - dem neuen Leben zustrebte, wie es in der DDR-Hymne hieß. Die sprachlichen Parallelen zur NAK sind offensichtlich!
Und dass auch der Schutz des Systems NAK den Menschen in dieser Kirche vorgeordnet ist, gilt offensichtlich und aktuell bis auf den heutigen Tag auch in politisch demokratisch ausgerichteten Strukturen. Ein sehr aktuelles Indoktrinationsbeispiel von Stap Schneider soll verdeutlichend aufzuzeigen, mit welchen manipulativen Mitteln innerhalb der Predigten Menschen demagogisch unterjocht und auf die Neuapostolische Kirche und ihre scheinchristlichen Notwendigkeiten eingeschworen werden. Völlig verwirrende Wiederholungen, nicht nachvollziehbare Paradoxien, Leerformeln, Einpeitschung von Schlüsselwörtern, scheinlogische Konstruktionen, Drohungen, ständig vereinnehmende Wir-Formulierungen und Vorgaben "wir wollen!", Forderungen, Vorwürfe, Unterwerfungsforderungen und anderes mehr sind beständige Kennzeichen ihrer Reden. Wirkliche und exegetische Predigten finden auf Grund mangelhafter theologischer Kenntnisse kaum statt. Eine ausführliche Darstellung der demagogischen Überzeugungstechniken findet man im Artikel: Glauben heißt vertrauen, das ist der Befehl des Tages – Christliche Predigt oder mentale Zwangsüberzeugung in der NAK? Absatz 5. Psychologische Überzeugungstechniken und (6.) ihre schädigenden Auswirkungen. Wichtige Stellen, die im folgenden Predigtzitat unbedingt zu hinterfragen sind, sind fett gedruckt oder sogar zusätzlich unterstrichen.
3.1.2021, Winterthur, Neujahrsgottesdienst Stap Schneider (Auszüge aus der offiziellen Mitschrift):
"Der Christ läuft ein Rennen, „ein Wettkampf“, damit will der Geist Gottes zeigen, dass die Vorbereitung auf die Wiederkunft Jesu Christi kein Spaziergang ist und alles andere als komfortabel. Ein Wettkampf ist es, d.h. es kostet viel Mühe, es kostet viel Kraft! Man muss viel Eifer zeigen. Man muss viel Energie anwenden. Es reicht nicht, angemeldet zu sein, um teilzunehmen. Nein, man muss sich Mühe geben, um so zu werden, wie Gott es will. Und sich dem Willen Gottes anzupassen, das kostet Mühe und Arbeit. Das wird auch dieses Jahr der Fall sein. Da muss man ständig daran arbeiten, also bequem ist das mit Sicherheit nicht. Es kostet Mühe, es kostet viel Arbeit. Das wird natürlich nicht so gut aufgenommen heut. Es muss ja alles komfortabel sein. Aber die Vorbereitung auf das Kommen Jesu Christi ist nicht komfortabel. Es ist ein Kampf, ein Rennen. Wenn von „Wettkampf“ die Rede ist, heißt das auch, dass es eine Möglichkeit des „Scheiterns“ gibt. Bei einem Wettkampf gewinnen nicht alle, nur einer. Ein „Wettkampf“ heißt auch: „Es gibt die Möglichkeit des Scheiterns“! Um zu „gewinnen“, um die Krone des ewigen Lebens zu erhalten, muss man eben „bis ans Ende“ ausharren. Es reicht nicht, noch einmal: „angemeldet zu sein, teilzunehmen“, man muss bis ans Ende, was auch immer kommt, was auch immer vorkommt, muss man immer weiter kämpfen, arbeiten, schaffen, wirken bis ans Ende, - egal, was kommt. Wer vorher aufhört, verliert. Das Bild zeigt es, genauer kann man es gar nicht sagen. Das Bild eines Wettkampfes. Und wer nicht bis ans Ende ausharrt, der verliert. Paulus sagt dazu auch: Einen Wettkampf kann man nur gewinnen, wenn man die Regeln respektiert. Das ist ja klar, ob es jetzt olympische Spiele sind, irgendein Wettkampf: Wer sich nicht an die Regeln hält, der kann nicht gewinnen. Und die Regeln? Die bestimmen wir nicht. Die bestimmt Gott! Die bestimmt Jesus Christus. Die Regel für diesen Wettkampf heißt: Du musst dich an der Lehre der Apostel orientieren. Die verkündigen das Evangelium. Eine andere Regel ist: Du kannst nur selig werden in der Gemeinschaft der Gläubigen. Ein Einzelgänger kann das Ziel nicht erreichen. Ich belasse es dabei, bei diesen zwei Regeln: Lehre der Apostel, Gemeinschaft der Gläubigen. Ohne diese Regeln, wenn man diese Regeln nicht respektiert, kann man den Wettkampf nicht gewinnen […]
Wir wollen nicht auf die Schwierigkeiten schauen, wir wollen nicht auf unsere Leistung schauen, wir wollen auch nicht auf unsere Not schauen. Das ist so eine Tendenz manchmal bei den Menschen. Man beschäftigt sich sehr viel mit sich selbst und dann bedauert man sich und bemitleidet sich. „Ach, das ist ja so schlimm! Das ist doch alles so ungerecht. Das hab ich doch nicht verdient! Wieso ich, und ich, und immer ich? Und: „Früher war es doch viel besser! Heute ist es so schwer geworden, usw., usf. Dieses Jammern, dieses Sich Selbst Bemitleiden, Geschwister, ich sage es ganz klar, das ist eine Zeit- und Energieverschwendung. […]
Ach, wenn’s dann schwierig ist, in Krisensituationen, auf einmal merkt man, wie groß das „ICH“ noch ist. Wenn es dann schwierig ist, auf einmal merkt man: Ach, das „ICH“ ist aber noch sehr wichtig! Meine Person, meine Meinung, mein Wohlergehen, mein Interesse! Und bei manchen ist dann das Ich so groß, dass Jesus auf einmal ganz kleingeschrieben wird. Bei manchen wird das „Ich“ so groß, dass das „Wir“ total vergessen wird. Das wirkt sich auf ganz verschiedene Art und Weisen aus. Aber das gibt mir zu denken. […]
Jesus wurde gefragt: Ja, muss ich jetzt die Steuer zahlen an den Kaiser? Jesus hat gesagt: Gib dem Kaiser, was dem Kaiser ist und Gott was Gott ist. Den Hintergrund kennt ihr, sie wollten ihm eine Falle stellen. Die Antwort hat ihnen natürlich nicht gefallen. Sie hätten es gern gehabt, dass er sagt: Ne, ne, zahlt dem Kaiser die Steuer nicht. Das hätte ihnen gefallen. Jesus Christus wollte damit unter anderem zeigen: Wir bekennen uns, wie es im Katechismus heißt: Wir haben ein positives Verhältnis zu der Obrigkeit, zum Staat. Als neuapostolische Christen haben wir ein Glaubensbekenntnis und da ist ein 10. Artikel drin. Wir haben ein gutes Verhältnis zu der Obrigkeit, zum Staat und sind auch gehorsam. Der Rahmen sind die Gebote Gottes. Solange die Anordnungen und Vorschriften der Obrigkeit, der Behörde nicht gegen den Willen Gottes verstoßen, sind wir gehorsam. Es gibt Leute, die haben mich gefragt: Ja wieso tragt ihr eine Maske? Antwort: Weil ich neuapostolisch bin. Das ist eine Vorschrift der Behörde. Und um zu wissen, ob ich jetzt dieser Vorschrift Folge leisten soll oder nicht, gibt es eine Referenz: das Gebot Gottes. Und nicht meine Meinung. Nicht meine Auffassung. Ich empfehle die entsprechenden Kapitel des Katechismus wieder zu lesen. Wir orientieren uns an den Vorschriften der Regierung, wenn sie nicht gegen das Gesetz Gottes verstoßen. Maßgabe ist nicht meine Meinung, sondern das Gebot Gottes."
Die Schamlosigkeit, persönliche Meinungen und Gedanken-, Gefühls- und direkte Lebensvorgaben einschließlich indirekter oder direkter Drohungen bei Nichtbefolgung als göttlich verordnete Gebote darzustellen, die nach dieser Gehirnwäsche als "Apostellehre" unbedingt zu befolgen sind, ist damals wie heute gängige Predigtpraxis in der NAK! Man war und ist - ob als Amtsträger oder nur Mitglied - noch heute zum absolutem Gehorsam verpflichtet! Dass Jesus mit seiner Antwort in der Perikope aus Mk 12,13-17 ein Bekenntnis zum Staat abgab ist mehr als zweifelhaft, eher trennte er mit seiner Antwort strikt Religion und Staat voneinander als zwei verschiedene Bezugssysteme. Keinesfalls wollte er, wie Schneider interpretiert, damit ein positives Verhältnis zur Obrigkeit oder zum Staat ausdrücken oder gar einen den Menschen entwürdigenden Untertanengeist einfordern! Stap Schneiders Menschenbild sieht aber anders aus:
Stap Schneider 2018 in Berlin: „ [...] das ist insofern ein schönes Bild für unsere Tätigkeit in unserem Amt, in unserem Dienst. Auch wenn wir Verantwortungsträger sind, auch wenn wir ein besonderes Amt haben, wir sind Knechte, wir sind Sklaven Christi, wie jedes Glied unserer Kirche. Wir sind völlig vom Herrn abhängig, wir haben keine Autonomie und wollen auch keine haben."
Gerade die Gehorsamspflicht auf Grund des 10. Glaubensartikels, den Stap Schneider hier erwähnte, hat eine lange, historische Tradition die belegt, dass die Führung der NAK gerade zu autoritären und diktatorischen Staatssystemen aktiv und freiwillig eine enge Verbindung suchte, die mit Anbiederung oder notwendigen Überlebensstrategien nicht hinreichend entschuldigt oder erklärt werden kann. Dazu jetzt ein historischer und ausführlicher Exkurs in die Zeit des Kaiserreichs und des Nationalsozialismus, in der sich in der NAK die Grundlagen des Verhaltens gegenüber nicht demokratischen Systemen und ihre offenkundige Nähe zu ihnen zeigten. Hier liegen auch die historischen Wurzeln zum späteren und daran nahtlos anknüpfenden Verhalten der NAK-Führung in der DDR.
Exkurs: Die NAK im Nationalsozialismus
Die ursprüngliche Formulierung des 10. GA lautete 1908: „Ich glaube, dass die Obrigkeit Gottes Dienerin ist uns zugute, und wer der Obrigkeit widerstrebt, der widerstrebt Gottes Ordnung, weil sie von Gott verordnet ist. (Erst 1992 wurde der 10. GA wie folgt verändert:„ Ich glaube, dass ich der weltlichen Obrigkeit zum Gehorsam verpflichtet bin, soweit nicht göttliche Gesetze dem entgegenstehen.“)
Schon während der Kaiserzeit und vor allem im Dritten Reich hatte dieser Artikel für die Mitglieder der NAK eine besondere und durchaus auch politische Dimension, weil durch ihn eine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche aufgelöst wurde. Die staatlichen Vorgaben und Ziele konnten dadurch - und dies besonders in der Zeit des NS-Terrors - in der NAK zu Glaubensgrundsätzen erhoben werden. In einem Aufruf ohne Datumsangabe (19??) von Stammapostel Niehaus Zur Reichstagswahl hieß es schon:
„Vom Standpunkte des Glaubens sind wir bei jeder Wahl verpflichtet, die Regierung zu unterstützen, denn wir glauben, die Obrigkeit ist Gottes Dienerin*. Als Gottes Volk sind wir verpflichtet, die Dienerin Gottes, die Obrigkeit zu stützen, und zu schützen gegen die revolutionären Bestrebungen und Strömungen, ganz egal ob sie "rot" oder "schwarz" sind. [...] Wir fordern hierdurch unsere Mitglieder auf, ihr Wahlrecht und auch ihre Wahlpflicht auszuüben. Wir halten es für eine heilige Pflicht, nur solche Männer zu wählen, die die Kaiserliche Regierung stützen. Das ist unser Stellung und öffentliche Erklärung. gez. H. Niehaus“
Und in den „Allgemeinen Hausregeln“ von Niehaus (1908) ist - das Kaiserreich unterstützend - zu lesen:
„Personen, welche Verächter der politischen und religiösen Einrichtungen des Staates und der bürgerlichen Gemeinde sind, welche umstürzlerischen, staatsfeindlichen Bestrebungen huldigen oder Verbindungen angehören, welche solche auf ihre Fahne geschrieben haben, können nicht Mitglieder der Neuapostolischen Gemeinde werden."
Im Buch ´Alte und Neue Wege` von 1913, Verf. Salus (= Eberhard Emil Schmidt, Volksschullehrer und Mitglied der NAK) steht auf Seite 360:
„Die Apostel stehen nicht bloß nebeneinander, sondern ordnen sich willig der Führerschaft des Stammapostels unter, der als letzte und höchste Autorität gilt. Subordination ist kein beliebtes Wort in unserer Zeit, und doch gilt mit Recht die Disziplin, d.h. schlechthin unverbrüchliche, selbstverleugnende Gehorsam als die feste Grundlage eines jeden Gemeinwesens, sei es in Familie, Staat oder Kirche. Der Gehorsam des Glaubens ist auch bei den Neuapostolikern eine der wesentlichen Ursachen ihres Erfolges und eine sichere Bürgschaft für die Zukunft.“
Am 28. Juli 1914 brach dann der 1. Weltkrieg aus. Zu welchen wahnhaften Vorstellungen dies auch in der NAK über ihre eigene Bedeutsamkeit führte, zeigt besonders ein Artikel vom 20.9.1914 von Stammapostel Niehaus in „Neuapostolische Rundschau“, S.206:
"Oft hört man die Frage, was ist der Grund zu dem gegenwärtigen Morden? Die Frage können nur solche beantworten, die dazu von Gott berufen sind, […]Unsere Feinde sind nur solche Völker, wo das Werk Gottes keinen Raum gefunden hat, während die Völker, wo das Werk Gottes Raum gefunden hat, unsere Freunde sind, was sehr auffällig ist.[...] England, Frankreich und Rußland haben die Boten Gottes nicht angenommen, und das alte apostolische Werk ist in England zu Schaum geworden, man achtet es nicht, aber fremde Götter wurden geehrt, und auf dem Wege der Ungerechtigkeit großgemacht in aller Welt.
O, England, o, England, wie wird es dir ergehen, wenn der Herr drein sehen wird, er wird deine junge Mannschaft mit dem Schwert erwürgen. Du hast unschuldig Blut vergossen und das gerechte Blut schreit von der Erde zum Himmel und die Stimme Gottes wird dich rufen: Kain, Kain, wo ist dein Bruder Abel?
O, Frankreich, o, Frankreich, wie wird es dir ergehen, Gott wird Strafe üben über deine Götter und Götzen, die in der Hand des Drachen sind.
O, Rußland, o, Rußland, wie wird es dir ergehen, du hast deine Götter über den Allmächtigen erhoben, du wirst mit deinen Göttern zur Erde geworfen werden und mit den Füßen der Armen zertreten werden."
Und Apostel C. Brückner schrieb einen Monat zuvor in der „Neuapostolische Rundschau“ vom 30. 8. 1914 (Beilage) S.191:
"Durch den Krieg wird zweifellos auch viel Gutes mit ausgelöst. [...] Es war auch bald nicht mehr schön im lieben deutschen Vaterlande. Die Standesunterschiede wurden immer mehr und mehr unnatürlicherweise in die Höhe geschraubt. Man kannte sich im Stolze kaum mehr. Die Liebe erkaltete immer mehr zueinander unter den einzelnen Volksschichten. Aus den Menschen wurden langsam immer mehr Affen. (...) Glücklicherweise können wir wahrnehmen, daß auch in einem großen Teile des deutschen Volkes das Wecken, was Gott bewirkt hat durch den Krieg, nicht vergeblich ist. Besonders unter den Apostolischen ist das zu merken. Obwohl viele apostolische Männer in den Krieg gezogen sind, so sind unsere Lokale trotzdem mehr besetzt, als in Friedenszeiten. Es gibt keine Lauen und Trägen mehr. Selbst Verirrte kommen jetzt zurück, die verschlagen und im faulen Frieden eingeschlafen waren. (...) Gott steuert die Kriege auf Erden, aber solange wie es gut ist. (...) So wird auch das deutsche Volk siegen."
In der demokratisch geprägten Zeit der Weimarer Republik wurde der 10. GA interessanter Weise gestrichen, weil deren Ausrichtung und die nun gewählte Volksvertretung der Zustimmung offensichtlich nicht würdig war. Wie grundsätzlich mit Gedanken und Büchern umzugehen ist, die nicht in das neuapostolische Weltbild passen, zeigen die zwei folgenden Appelle an die Jugend aus den Jahren 1931/32 und die darauf gegebene Antwort:
Frage: „Was soll man mit Romanbüchern, Kunstschriften usw. aus nichtapostolischer Zeit tun, wenn man infolge des Besseren, was uns im Werke Gottes geboten wird, das Interesse daran verloren hat und noch befürchten muß, es könnte den eigenen Kindern zum Schaden gereichen, wenn diese aber dennoch materiellen Wert besitzen und sich dafür kein Käufer findet?“ (Quelle Jugendfreund 3. Jg. Nr. 9 vom 8. Mai 1931, Seite 72)
„Darum, liebe junge Mitgeschwister, lest keine schlechten Bücher, womit ihr Euer Glaubensleben vergiftet, sondern das, was Euch vom Stammapostel und den Aposteln angeboten wird. Wer noch schlechte Lektüre im Besitz hat, lese einmal Apostelgeschichte 19,19 und die Antwort auf eine diesbezügliche Frage im Jugendfreund Nr.9/1931, Seite 72. Wer danach handelt, wird es in seinem eigenen Interesse nie bereuen müssen.“ (Quelle Jugendfreund 4.Jg Nr. 7 vom 8. April 1932, Seite 54)
Die erschreckende Antwort der NAK mit dem Verweis auf Apostelgeschichte 19, 19 ff nimmt die später faktische Bücherverbrennung der Nazis zwischen dem 10. Mai und 21. Juni 1933 bereits gedanklich durch die NAK vorweg. Im angegebenen Zitat steht:
„18 Es kamen auch viele von denen, die gläubig geworden waren, und bekannten und verkündeten, was sie getan hatten. 19 Viele aber, die Zauberei getrieben hatten, brachten die Bücher zusammen und verbrannten sie öffentlich und berechneten, was sie wert waren, und kamen auf fünfzigtausend Silbergroschen. 20 So breitete sich das Wort aus durch die Kraft des Herrn und wurde mächtig.“
Aus Sicht der NAK ist eine Bücherverbrennung von Erzeugnissen aus "nichtapostolischer Zeit" (sozusagen die gesamte Literatur!!)" also biblisch begründet und durchaus berechtigt, damit sich das Wort des Herrn, verkündet durch die neuapostolischen Leiter, ausbreiten kann! Alles, was gegen die NAK und/oder gegen ihre im Folgenden noch aufzuzeigenden politisch vertretenden Überzeugungen spricht, sind vergiftende Glaubensüberzeugungen, die vernichtet werden dürfen. Diese Haltung legitimiert folglich auch die barbarische Bücherverbrennung der Nazis, die von der NAK vermutlich wohlwollend begleitet wurde! Der Herausgeber dieser Schriften war die Hauptleitung der Neuapostolischen Gemeinden. Der verantwortliche Redakteur Paul Weine wurde nach dem Krieg in den frühen 50er Jahren als Bischof im Raum Frankfurt eingesetzt!
(Vergleichsweise ähnlich martialisch und despektierlich äußerte sich auch der Kirchensprecher Bischof Johanning der NAK. Er stellte 2008 während einer ökumenischen Studientagung der evangelischen Kirche Hessen und Nassau zum bis dahin gültigen Lehrwerk der NAK sinngemäß fest, „dass das Büchlein `Fragen und Antworten´ den Anforderungen an eine Zusammenfassung der Lehre nicht genügen könne – und „eigentlich auf den Scheiterhaufen“ gehöre.“ (Quelle) )
In den 1930er Jahren und mit dem aufkommenden Nationalsozialismus (die NSDAP erhielt bei der Wahl am 14.September 1930 18,3 Prozent der Stimmen und wurde zweitstärkste Fraktion) wurde der 10. GA vom Apostelkollegium wieder eingeführt und 1933 vom Stap Bischoff auf das neue politische Herrschaftssystem und konkret auf den Reichskanzler und Führer Adolf Hitler hin bestätigt:
„Am Tag von Potsdam, 21 März 1933, hielt Bischoff einen Festgottesdienst und verkündigte unter Zugrundelegung von Sir.10,5, daß jetzt der von Gott gesandte Führer gekommen sei. Den Text der Ansprache ließ er samt vielen Unterlagen in die Reichskanzlei schicken.“ (Kurt Hutten,Seher Grübler Enthusiasten - 1982 - S.477)
"In einem Rundschreiben vom 21.3.1933 machte es der Hauptleiter allen Dienern und Mitgliedern der Neuapostolischen Gemeinden zur Pflicht, der von Gott gegebenen Obrigkeit untertan und gehorsam zu sein. Er forderte ferner auf, für die Obrigkeit zu beten und im Gemeinde- und Staatsleben die gegebenen Gesetze und Verordnungen gewissenhaft zu befolgen. Er wies auf eine Verfügung des Hauptleiters der Neuapostolischen Kirche aus dem Jahre 1908 hin, worin gesagt ist, daß die Neuapostolischen in Staat und Gemeinde sich so bewegen sollen, daß ihre Mitmenschen von ihnen lernen können und daß sie die Ersten in der Treue zur Obrigkeit und zum Vaterland sein sollen." (1933 Reichsstatthalter Epp, Aktenmaterial über die NAK, 1934-1935, Akt Reichs.st.h. 638/1, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München)
Die Mitglieder der NAK wurden in einem Rundschreiben vom 21.3.1933 von Stammapostel Bischoff wie folgt angewiesen:
[…] Um jede Unklarheit ueber die Stellung der Neuapostolischen in Staat und Gemeinde zu beseitigen, teile ich folgendes mit:[…] Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt ueber ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun die Obrigkeit widersetzt, der widerstrebet Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden ueber sich ein Urteil empfangen. […]- Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, es sei dem Koenige, als dem Obersten, oder den Hauptleuten, als die von ihm gesandt sind […] Alle Diener und Mitglieder der Neuapostolischen Kirche haben also nach obigen Worten die Pflicht, der von Gott gegebenen Obrigkeit untertan und gehorsam zu sein.
[…] Der Hauptleiter der Neuapostolischen Kirche, Hermann Niehaus, schrieb im Jahre 1908 in dem Hilfsbuch fuer die Priester und Diener, dass die Apostolischen in Staat und Gemeinde sich so bewegen sollen, dass ihre Mitmenschen von ihnen lernen koennen, und dass sie die Ersten in der Treue zu Obrigkeit und zum Vaterlande sein sollen.
[…]. In meinem Rundschreiben vom 18.7.1932 habe ich, also zu einer Zeit, da wir noch keine nationale Regierung in Deutschland hatten, die Stellung und das Verhalten der Religionsdiener der Neuapostolischen Gemeinde zu der nationalen Bewegung erlaeutert. Besonders habe ich den Hinweis gegeben, uniformierte Nationalsozialisten in den Gottesdiensten genau so freundlich zu behandeln wie Personen in Zivilkleidung. […]
Noch deutlicher wurde Stap Bischoff dann in einem Schreiben der Hauptleitung der Neuapostolischen Kirche des In- und Auslandes am 2. 8. 1933 an das Preußische Kultusministerium, Berlin:
„Die Neuapostolische Kirche steht in ihrer Lehre und ihrer Religionsauffassung auf dem Boden des Urchristentums, nicht aber auf dem des Judentums.
Jeder Diener und jedes Mitglied der Neuapostolischen Gemeinde ist durch die planmäßige Beeinflussung seitens der Hauptleitung in nationalsozialistischem Sinn erzogen, so dass die meisten Mitglieder der Neuapostolischen Gemeinde der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei angehören oder ihr nahe stehen.*
Bei der Aufstellung aller Satzungen wurde von dem für die Autorität einer Kirche bestimmenden Gedanken des Führerprinzips ausgegangen, um dadurch die Möglichkeit zu einer straffen Organisation zu gelangen.
Wie wir im Staatsleben nur unter einer Führung, die den Erfordernissen des Volkes Rechnung trägt, ein glückliches Volk werden können, wie wir nur dann Staatsbürger sein können, wenn wir uns dieser Führung restlos unterordnen, so kann auch im religiösen Leben nur derjenige Mensch glücklich sein, der in einer innerlich gesunden Religionsauffassung stehend sich der Kirchenführung unterordnet und derselben den schuldigen Glaubensgehorsam entgegenbringt, die ihm die Gewähr zu einer seelischen Befriedigung bietet.
Eine große Zahl meiner Rundschreiben an die Leiter und Diener der Neuapostolischen Kirche Deutschlands liefert den klaren Beweis, dass sie uneingeschränkt und bedingungslos die nationalsozialistische Bewegung nicht nur anerkennt, sondern auch gefördert hat.
Außerdem habe ich verschiedenen anderen nationalsozialistischen Formationen meine finanzielle Unterstützung zukommen lassen. ...
Heil Hitler, J. G. Bischoff“
(*Vergleiche hierzu auch Wahlbeeinflussung in der DDR)
Man beachte die absolut freiwillige Unterzeichnung mit "Heil Hitler" von Bischoff, die gerade aus christlicher Sicht problematisch ist: "Es ist in keinem anderen Heil ..." Apg 4,12! Die finanzielle Unterstützung in Form geleisteter Spenden betrug laut Bischoffs eigenem Lebenslauf (datiert vom 2.8.1933) im Zeitraum von 1931 (!) bis September 1933 , also auch bereits deutlich vor der Machtübernahme Hitlers, insgesamt 137.541 RM, eine durchaus sehr beachtliche Summe! Der Durchschnittsverdienst in dieser Zeit betrug pro Monat ca. 165 RM. Ein Arbeiter hätte also für diese Spendensumme knapp 70 Jahre durcharbeiten müssen.
Im Dezember 1933 rief Bischoff dann in einem Rundschreiben an die Amtsträger (1.12.1933) dazu auf:
„Das Jahr geht nun rasch zu Ende, aber nicht das, was es uns gebracht hat. Dankbaren Herzens sehen wir auf die Geschehnisse im Jahre 1933. Deutschland ist von der Zersplitterung befreit, Parteiwesen ist nicht mehr. . . .
Aus diesem allem erkennt man aber, was ein Mann vermag, den die Liebe zu dem deutschen Volke trieb, alles neu zu gestalten. Wir Neuapostolischen wollen alles daran setzen, die vom Führer zum Wohl des Volkes getroffenen Anordnungen gewissenhaft zu befolgen, damit er mit uns keine Sorgen und Arbeit hat. Dadurch, dass jeder Einzelne an seinem Platze seine Stellung gewissenhaft ausfüllt, ist dem Führer und damit dem ganzen Volk am besten gedient.“
Ferner galt laut eines Schreibens von Apostel Landgraf (Auszug) seit dem 28. J u n i 1 9 3 3, dass in die Gemeinde aufzunehmende Personen zuvor folgende schriftliche Erklärung abgeben müssen:
Ich ersuche, ohne dazu von irgendeiner Seite veranlasst zu sein, um Aufnahme in die Neuapostolische Gemeinde und erkläre an Eides Statt, dass ich keiner staatsfeindlicher Organisation angehöre und auch keine staatsfeindliche Gesinnung habe.
Im gleichen Schreiben wurde noch weiter angeführt:
„Ausserdem sei noch auf die Tatsache hingewiesen, dass schon seit 1921 und 1923 Mitglieder der Neuapostolischen Gemeinde mit dem Führer Freud und Leid geteilt haben. Zwei ihrer Mitglieder haben dabei ihr Leben gelassen, über 60 wurden verwundet und einige infolge ihrer nationalsozialistischer Betätigung mit Gefängnis bestraft. Dies ist im Verhältnis zur Mitgliedschaft der Gemeinden ein hoher Prozentsatz. […] Diese Ausführungen dürften genügen, um eindeutig zu zeigen, dass die Neuapostolische Kirche sowohl v o r wie n a c h der Machtergreifung unseres Herrn Reichskanzlers Adolf Hitler alle Voraussetzungen erfüllt hat, die nach dem Programm der NSDAP unter Punkt 24 gegeben sind.“
Zudem wird noch berichtet, dass auch der Versuch von Stap Bischoff unternommen wurde, andere Bezirksapostel politisch zu beeinflussen:
Ap. Landgraf 1933: "Der Hauptleiter hatte die überseeischen Vertreter der Neuapostolischen Kirche nach Deutschland eingeladen, damit sie sich neben der Besprechung kirchlicher Fragen von den tatsächlichen Verhältnissen in Deutschland durch eigene Anschauung überzeugen und im Auslande auch für das Deutschtum eintreten können. ... Auch ermahnte der Hauptleiter in einem Rundschreiben vom 1. A u g u s t 1 9 3 3 alle Amtsträger und Mitglieder der Neuapostolischen Gemeinde, sich gewissenhaft an die von ihm gegebenen Anordnungen zu halten, ferner alle abfälligen Äusserungen über andere Glaubensanschauungen, deren Einrichtungen und Diener zu unterlassen. Die peinlich-gewissenhafte Befolgung aller Anordnungen und Verfügungen des Hauptleiters, der seinen Sitz in Deutschland hat, ist Pflicht eines jeden Mitgliedes der Kirche; denn in ihr ist das Führerprinzip in religiöser Hinsicht in jeder Weise ausgeprägt." (Vollständige Fassung der Selbstdarstellung Landgrafs)
Ein Amtsblatt der NAK von 1937 , in dem von Stap Bischoff - zumindest als Herausgeber verantwortlich -dargestellt wurde, dass Jesus kein Jude war, spricht auch deutlich zur Sache:
"Jesus ist aber von keinem Juden gezeugt, sondern er ist das Wort von Ewigkeit her, und Gott, der ewige Geist, ist der Vater dieses Wortes. Dieses Wort, erfüllt vom Geiste des Ewigen, durch Verkündigung des Engels in den Schoß der Maria gegeben, hat sich als ein göttlicher, nicht jüdischer Same dem von Gott zur Ausreife im Mutterleibe gegebenen Gesetze entsprechend entwickelt."
Auch Friedrich Bischoff (1909 - 1987), der Sohn des Stammapostels, war mit den Nationalsozialisten sehr verbunden. Am 1. Mai 1933 trat er der NSDAP bei, war Mitglied der Sturmabteilung (SA) und beim SA-Fliegersturm. Sein Antrag auf eine Mitgliedschaft in der SS (Schutzstaffel) ist abgelehnt worden. Ab 1933 war Frierdrich Bischoff als politischer Beauftragter der NAK das Verbindungsglied zur NS-Führung. In einem Empfehlungsschreiben der Landesstelle Hessen-Nassau des Reichsministeriums für Propaganda und Volksaufklärung notierte Herr Müller-Scheld, ein Mitarbeiter und enger Vertrauter von Joseph Goebbels (Akt RKM 23418 Bundesarchiv Potsdam) über ihn (1936?):
„Friedrich Bischoff ist Parteigenosse, mir seit Jahren bekannt und politisch und menschlich absolut zuverlässig.“
Stap Bischoff selbst gab in einem Schreiben an das Preußische Kultusministerium, Abteilung für Kirchenwesen, Berlin; August 1933 (Quelle Bundesarchiv Vol. III vom Juni 1924-1941, Generalia 23418, Sekten, 25 III, Bl. 114-127: hier Blatt 126) die SA-Mitgliedschaft seines Sohnes an:
„Der sogenannte Wagenpark meines Sohnes besteht den Geschäftsverhältnissen entsprechend aus einem Lieferwagen und einem Personenwagen. Das erwähnte Flugzeug gehört nicht zum Besitz meines Sohnes, sondern ist Eigentum des deutschen Buchverlages G.m.b.H., an dem mein Sohn beteiligt ist. Außer rein geschäftlichen Zwecken findet das Flugzeug im hiesigen SA-Fliegersturm I, dessen Mitglied mein Sohn als SA-Mann ist, Verwendung.“
Mir liegt eine Kopie der Mitgliedskarte von Friedrich Bischoff für die NSDAP vor mit dem Eintrittsdatum 1.3.1933. Folgende Daten sind - zum Teil handschriftlich in Sütterlinschrift - eingefügt:
Mitgliedsnummer 2246356 / Vor- und Zuname Bischoff Friedrich
Geboren 31.3.09 / Ort F.
Beruf Buchverleger / Ledig verheiratet verw.
Eingetreten 1.5.33
Wohnung F. Sophienstr. 76
Ortsgruppe Frankfurt aM Hess.Nass. Süd
(Quelle: Filmbild 2358 der Bestandsignatur3200, Nummer des Aktenbandes B 0045)
In einem Reisebericht aus ´Unsere Familie` schrieb 1940 der damalige Bez.Ev. Friedrich Bischoff:
5.4.: „Schwarze und Mischlinge steigen auf der sozialen Leiter immer höher, sie verdrängen mit ihrer billigen Arbeitskraft den besser bezahlten Weißen auch aus Stellungen, die dem Weißen allein zustehen sollten ... Das farbige Element ist zum Angriff übergegangen ... England hat den Buren Südafrika geraubt, uns hat es unsere Kolonien gestohlen, nicht um sie besser zu kolonisieren, nein, um sie auszubeuten, um die Besitzer davonzujagen und die Weißen samt ihrer Kultur an den Neger zu verraten. ...
Ein altes Negerweib stochert im Vorbeigehen einmal darin herum, kleine schwarze, nackte Kinder spielen im Dreck oder sehen uns erstaunt an. Ihre feisten, vorstehenden Bäuchlein scheinen fast zu platzen.“
20.4.: „Wohl hat sich der Weiße noch eine bestimmte Vorherrschaft erhalten können, sie ist aber stark ins Wanken geraten, und sie wird noch immer mehr ins Wanken kommen, je mehr der Jude Einfluß gewinnt, denn es ist sein Ziel, die Völker zu zersplittern, sie niederzuhalten und sie auszubeuten.“
In einem Artikel aus Unsere Familie vom 20.3.1938 hieß es unter der Überschrift "Am 10. April dem Führer unser 'Ja'!" im weiteren Text unmissverständlich als Gebet an Gott: "Beschütze den Führer und richte auch fernerhin durch ihn aus, was du dir vorgenommen hast, durch ihn zu tun."
In den Vorstellungen der NAK war Adolf Hitler in seinen Taten also ein Werkzeug in Gottes Hand! Auch Stap Bischoff wandte sich 1941 nochmals persönlich und eindeutig an die Mitglieder der NAK und schrieb:
Ztat aus Kalender "Unsere Familie" für das neuapostolische Heim, Artikel "Dem Ziel entgegen" von Stammapostel J.G. Bischoff, Seiten 4 und 5, 1941:
[…] Mit stählernem Griffel ist neue Geschichte geschrieben worden in diesem Jahre, und neben der stolzen Freude über die unvergleichlichen Waffentaten unserer Wehrmacht unter ihrem genialen Führer hat aber auch manchmal bange Sorge um unsere Angehörigen im Felde gestanden.
[…]Wir vernachlässigen dabei nicht unsere irdischen Pflichten, sondern wir werden uns im Gegenteil und wo es auch sein mag, mit allen Kräften bemühen, an unserem Platz in der Volksgemeinschaft unseren Mann zu stehen. Auch hier haben wir ein Ziel, wir wollen auch hier Erstlinge sein, damit man uns nicht an unseren Worten, sondern an unseren Taten erkennt. Wir wollen auch im neuen Jahre, wie seither, alles tun, um zielbewußt an dem Aufbau unseres Vaterlandes mitzuhelfen in der festen Ueberzeugung, daß die Rechte des Herrn den Sieg behalt. […] (Unterzeichnet handschriftlich: J.G. Bischoff)
Zitat aus dem Leitartikel von J.G.Bischoff in der kriegsbedingt letzten Ausgabe von ´Unsere Familie` vom 5.12.1941:
„Heute steht unser Volk im Abwehrkampf gegen seine Feinde, die es vernichten wollen. Viele unserer Brüder stehen an der Front, kämpfen um die Erreichung der Freiheit, um den Lebensraum und die Zukunft unseres Volkes, auch wir alle tragen dazu mit unseren Opfern willig und freudig bei. Dieser Kampf erfordert ein Anspannen aller Kräfte und kann nur dann zum Sieg führen, wenn wir bereit sind, auch das Letzte daranzugeben im gläubigen Vertrauen, daß der Herr den Kampf durch den Sieg segnet und die Opfer durch den Erfolg lohnt .
So ist im Bestreben, alle Kräfte zusammenzufassen und alle Mittel auf das eine Ziel, den Endsieg, auszurichten,[…]“ (Unterzeichnet handschriftlich: J.G. Bischoff)
Auf das Auskunftsersuchen des Hessischen Staatsministeriums (Der Minister für politische Befreiung, Kammer Frankfurt am Main, Der öffentliche Kläger) vom 30. November 1947 schrieb Friedrich Bischoff am 09.12.1947 eine Stellungnahme. Auf Seite 3 seiner Stellungnahme erklärt Bischoff:
Die Zusammenstellung all dieser Zitate zeigt überdeutlich, dass in diesem Zusammenhang absolut nicht - wie offiziell stets behauptet - nur von Anbiederung oder erforderlicher Anpassung als Überlebensstrategie gesprochen werden kann! Aber weder dem Stap Bischoff noch seinem Sohn Friedrich (1951 Apostel, 1953 BezAp) wurde ihr offensichtliches Fehlverhalten jemals offiziell vorgehalten, ja es wurde nicht einmal hinterfragt! Und so wie bisher weder der Forschungsbericht zu Stammapostel Bischoff und der Botschaftsära noch die Verqickungen der NAK-Führung in der DDR mit dem politischen System und der Stasi seitens der NAK-Führung damaliger Zeit öffentlich und historisch korrekt offengelegt wurden, hat man auch die nun hier umfänglich dokumentierte Haltung der NAK zum NS-Regime trotz Kenntnis dieser Quellen stets beschönigt, verschleiert und bewusst verfälschend dargestellt:
Zitat aus der "Offizielle Verlautbarung 1996" in Unsere Familie, 56. Jahrgang, Nr. 2, 20. Januar 1996:
„Gegenüber den Machthabern im Nationalsozialismus unterschied sich das Verhalten der Mitglieder unserer Kirche nicht von dem der übrigen Bevölkerung. Unsere Kirche stand unter den gleichen Zwängen wie viele andere Institutionen auch. So mussten beispielsweise in unserer Kirchenzeitschrift staatlich verordnete Pflichtartikel abgedruckt werden. Unbestritten hat die Kirchenleitung dem nationalsozialistischen Regime Zugeständnisse entgegengebracht, doch das war – wie Zeitzeugen wissen und Dokumente belegen – nötig, um dem drohenden Verbot zu entgehen.“
(Zwischenbemerkung: Siehe auch meinen ausführlichen Artikel "Der Draveprozess" zum Infoabend von Apostel Drave am 4.12.07 zum Thema: Die Neuapostolische Kirche von 1938 bis 1955 - Entwicklungen und Probleme. Ap. Volker Kühnle bezeichnete 2010 auf dem ökumenischen Kirchentag in München dieses Vortrag als "Betriebsunfall", was bereits wiederum eine Verschleierung darstellt: Ein Unfall ist ein zufälliges Geschehen, die Verfälschungen Draves hingegen waren absichtlich formuliert, um die Apostel Güttinger (Manifest)und Stammapostelhelfer Peter Kuhlen (private Aktenaufzeichnungen), Kirchenausschluss 1954 und 1955, in Misskredit zu bringen und den Stap Bischoff hingegen zu entlasten. Meine Anmerkungen zum Informationsabend mit Stammapostel i.R. Leber zur Versöhnung mit der Apostolischen Gemeinschaft vom Sept. 2015 sprechen zur Sache "Botschaftswahn," aber das ist ein sehr umfangreiches, anderes Thema.)
Gleiches gilt dem Vortrag „Alte und neue Zeit“ zur Entwicklungsgeschichte der NAK von 2003, in dem Peter Johanning bei einer Akademietagung mit dem Titel "„Rückkehr zur völkischen Religion? Glaube und Nation im Nationalsozialismus und heute“ die wirklich wesentlichen Fakten ignorierte, uminterpretierte und wider besseres Wissen schlichtweg behauptete:
S. 5 In diesen bewegten Zeiten, in denen es zeitweise Schließungen von Gemeinden oder die Verhaftung und Überwachung von Mitgliedern gab sowie die religiöse Betätigung insgesamt aufs Äußerste gefährdet war, hat sich Stammapostel Bischoff für den Weg der Anpassung, der ein Überlebensweg wurde, entschieden – aus lauteren Motiven. Nach eingehenden Recherchen kommen wir heute zu folgender Beurteilung: „Gegenüber den Machthabern im Nationalsozialismus unterschied sich das Verhalten der Mitglieder unserer Kirche nicht von dem der übrigen Bevölkerung. Unsere Kirche stand damals unter den gleichen Zwängen wie viele andere Institutionen auch.
S. 6 Indem die Kirche ihre Eigenständigkeit bewahren konnte, verschaffte sie ihren Mitgliedern die Möglichkeit, ungeachtet der totalitären staatlichen Beeinflussung ein nach christlichen Werten orientiertes Leben zu führen. [...] Weder Stammapostel Niehaus noch sein Nachfolger, Stammapostel Bischoff, waren politisch arbeitende Kirchenführer. Sie haben keinerlei Einfluss auf Staatsbelange genommen – und hätten einen solchen wie auch immer gearteten Versuch wegen der geringen Größe der Kirche wohl auch kaum unternehmen können –, sie waren weder Judenhasser noch Brandstifter, allerdings auch keine Widerstandskämpfer. Sie haben vor allem die theologische und seelsorgerische Betreuung der Gemeinden im Blickfeld gehabt.
Dieses geschichtsverfälschende Gebaren ist für die NAK-Führung offensichtlich unabdingbar: Da sich die faktischen, historischen Ereignisse nicht mit ihrem heutigen Selbstbild vereinbaren lassen, werden sie entweder erst gar nicht untersucht oder in der Darstellung mit voller Absicht zielbewusst manipulierend solange verdreht, bis sie passen und /oder die erhobene Kritik belanglos oder überzogen erscheint! ! Konkret zum 10. GA versteigt sich Johanning am Schluss seiner Ausführungen noch zu folgenden Anmerkungen:
S.7 Was wäre, wenn ...? Geschichte wiederholt sich zuweilen, wie wir wissen. Daher zum Schluss die Frage: Was wäre, wenn heute ernsthafte staatliche Repressalien auf die Kirche zukämen? Der 10. Artikel in unserem Glaubensbekenntnis heißt: „Ich glaube, dass ich der weltlichen Obrigkeit zum Gehorsam verpflichtet bin, soweit nicht göttliche Gesetze dem entgegenstehen.“ [...] Die Jugend als die Zukunft der Kirche lässt sich nicht mit Äußerlichkeiten beeindrucken, sondern wünscht Tiefgang in der theologischen Auseinandersetzung. Immer noch nimmt die Neuapostolische Kirche keinen Einfluss auf Staatsmänner und Regierungen, nach wie vor ist Politik kein Gegenstand der Lehre.
Nein, Einfluss auf Staaten übten sie nicht aus (das hat meines Wissens auch nie jemand behauptet, man beachte hier Johannings verwirrenden rhetorischen Kniff), wohl aber machten - und machen? - sich ihre geistlichen Führer zum Handlanger staatlicher Interessen und Vorgaben, wenn diese stabilisierend in ihr Welt- und Kirchenbild passen. Die historisch äußerst bedeutsame politische Entwicklung ab den 70er Jahren - Haare, Mode, Bärte, Kleidung, Musik - gehörte definitiv nicht dazu und wurde folglich verteufelt! Was sagen heute wohl Menschen, die in der DDR-Jugend der NAK aufgewachsen sind und mit dem Staatssystem nicht einverstanden waren, zu diesem Schlusssatz von Johanning?
Auf meine Nachfragemail hat Kirchensprecher Johanning bezeichnender Weise nicht geantwortet:
Sehr geehrter Herr Johanning,
anlässlich eines neuen Artikels habe ich mich an Ihre Ausführungen "Alte und neue Zeit" von 2003 erinnert und mich gefragt, ob Sie auf Grund der aktuellen Quellenlage, die im folgenden Textauszug zusammenfassend dargestellt wird, einige Ihrer damals bezogenen Positionierungen als nicht mehr haltbar möglicherweise korrigieren würden? Jedenfalls möchte ich Ihnen dazu die Gelegenheit bieten, da einige Ihrer Vortragsanmerkungen von mir kritisch zitiert wurden.
Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Grüße
Detlef Streich
Quelle im Netz: NAK und DDR (beepworld.de)
Passend prägnant fasst R. Stiegelmeyr in seinem Artikel Die Parodie des ahistorischen Mitläufertums in den Diktaturen des 20. Jhs. - ein uraltes Alibi der NAK-Führung (Nachtrag Feb. 2020) die Problematik wie folgt zusammen:
„PRIMÄR lagen die treibenden Kräfte der Anbiederung und Übernahme des jeweiligen zeitgeistig-politischen Denkens in der eben NICHT zufälligen Gleichartigkeit des Denkens - egal ob in der Nazi- oder der DDR-Diktatur. Diese Gleichartigkeit des Denkens, nachgewiesen in zahllosen Artikeln […], bestand im archaisch-patriarchalischen Gedankengut der NAK (und besteht dort drinnen noch heute - sic!!!), welches sich im diktatorischen Gedankengut der div. Machthaber wohl, bestätigt und sogar noch hofiert und legitimiert fühlte. Machen wir uns nichts vor: Die scheinbar göttlichen Ordnungsvorstellungen des Werkes Gottes waren (und sind) in vielen Bereichen deckungsgleich mit den Ordnungsvorstellungen der nationalsozialistischen Diktatur: autoritäre Herrschaft nach dem Motto „Führer befiel, wir folgen dir!“ Genau deshalb war es auch weder Zufall noch zeit- oder umständebedingte Anbiederung an ein Terrorregime, sondern ganz bewusst inszenierter und gewollter Gleichklang. […] Es geht nämlich NICHT (nur) darum, jener Aussage ins Auge zu sehen, dass die NAK-Führung (und viele ihrer Mitglieder) sich zum Nationalsozialismus in all seinen Schreckensarten bekannt hatte und durch die freiwillige Unterstützung einer verbrecherischen Organisation zu Mittätern wurden, sondern darum, dass sie den menschenverachtend-faschistischen Geist des Nationalsozialismus im Schafsgewand des Heiligen Geistes in sich selber trug, mit allen Mitteln nährte und zur göttlichen Glaubensdoktrin umfunktionierte!“ (siehe hierzu einen weiteren Artikel von Stiegelmeyr: Glaubensgehorsam als Bindeglied zur staatlichen Diktatur)
Einschub zur Wirksamkeit ideologischer Systeme:
Diese „ Gleichartigkeit des Denkens - egal ob in der Nazi- oder der DDR-Diktatur“ oder auch in religiösen Systemen ergibt sich aus dem Prinzip, dass es in ideologischen Denksystemen darum geht, die vorhandene menschliche Wirklichkeit durch eine eigens konstruierte, fiktive Parallelwelt zu ersetzen, in denen der „Wahn“ der aufgebauten Schein-Welt zur kollektiv geglaubten Wahrheit wird. Hannah Arendt drückt das wie folgt aus (alle folgenden Zitate aus Hannah Arendt oder Die Liebe zur Welt” von Alois Prinz, 10. Aufl. 2013 Insel, S. 138 und S. 165 ff):
" Um zu zeigen, dass es möglich ist, die Welt nach den Geboten einer Ideologie zu verändern, mussten die Nazis eine fiktive Welt aufbauen, die abgeschottet war gegen jede störende Erfahrung. Ihr Unternehmen bestand also darin, die Realität durch ein Wahnsystem zu ersetzen.[…] Was sich von außen wie ein ‘Irrenhaus’ ausnahm, war für die Menschen in diesem System völlig vernünftig und stimmig.“
Die daraus entstehende „Bewegung“ ist aber, so schlussfolgert Arendt, „eine Gemeinschaft isolierter Individuen, völlig unfähig zu wirklichem gemeinsamen Handeln.[…] Sobald diese fiktive Welt zusammenfällt, zerfällt auch die ‘Bewegung’, und übrig bleiben die Menschen, die nun wieder das sind, was sie vorher waren: vereinzelte, ‘heimatlose’ Individuen.“
In diesem Prozess der Vereinnahmung durch das System gibt aber der Einzelne nicht nur sich selbst auf, denn auch „jedes kritische Verhältnis zu sich selbst, wie es noch in der größten Einsamkeit möglich ist, wird zunichte gemacht.“ Diese „Verlassenheit“ , wie Arendt das beschriebene Phänomen bezeichnet, meint eben keine Einsamkeit, sondern bezeichnet eine Zerstörung der Bindungen des einzelnen Menschen hin zu anderen Menschen und zu sich selbst, er verliert sich selbst!
„Und somit verschwindet das letzte Gegenüber, an dem man mit seinen Erfahrungen und Gedanken noch Widerstand finden könnte. In dieser Verlassenheit, die nicht dasselbe ist wie Einsamkeit, wird der Mensch anfällig dafür, sich in eine Gedankenwelt einzuspinnen, die zwar in sich logisch, aber fern jeder Wirklichkeit ist.“
Warum aber ist der Mensch anfällig dafür, sich eher in die logische Scheinwelt einspinnen zu lassen, als sich der realen Wahrheit oder Wirklichkeit zu stellen? Einerseits sicher deswegen, weil es Individualisten nicht nur in einer totalitären Welt schlichtweg schwerer haben als angepasste Mitläufer, sondern andererseits auch deswegen, weil die Wahrheit nach einem Sprichwort eben ein bitterer Trank ist, den der Menge schwacher Magen nur verdünnt vertragen kann oder will!
„Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen mißfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.” Gustave Le Bon (1841-1931)
Im Gegensatz zur – weitestgehend und wenigstens prinzipiell - überprüfbaren Wirklichkeit, müssen sich Ideologien und/oder Verschwörungstheorien eben nicht an der Wahrheit messen lassen. Sie werden geglaubt und können schöngefärbt und durch die rosarote Brille bis zum letzten Atemzug als politisches oder religiöses Orientierungssystem beibehalten und eben „vergöttert“ werden. (siehe hierzu auch die Satire: Falsch verbunden – oder: Mit Gott in der Warteschleife und die Frage nach dem Humor!) Es sei denn, die verschiedenen Wirkansätze in ihrem System werden mit der Zeit fragmentarisch und zielen destabilisierend in unterschiedliche Richtungen oder in den machtorientierten Größenwahn, der sich übernimmt, bzw. und z.B. aus Sicherheitsbestrebungen heraus in den totalitären, in sich unstimmigen und offensichtlich ungerechten Überwachungsstaat mündet, der wiederum mit den postulierten Grundprinzipien unvereinbar ist. Der Leidensdruck muss allerdings sehr hoch werden, bevor Menschen dazu bereit sind, diese Erkenntnisse anzunehmen und sich aus diesen Widersprüchlichkeiten herauswinden, um anschließend - als Person völlig bedeutungslos - wieder das zu sein, "was sie vorher waren: vereinzelte, ‘heimatlose’ Individuen!"
Amtsmissbrauch durch die Apostel der NAK
Wen wundert es also bei diesem historischen Vorlauf, dass genau so oder so ähnlich auch in der ehemaligen DDR gepredigt und auch die absolute politische Nachfolge und Treue zum Staatssystem der DDR von der Kirchenleitung vollumfänglich eingefordert und bei Nichtbefolgung drastisch sanktioniert wurde. Olaf Wieland bestätigt in seinem ersten publizierten Forschungsbericht im Jahrbuch für Freikirchenforschung 16/2007 diese Haltung der NAK mit einem Zitat aus einem Brief des Theologen und Sektenforschers Kurt Hutten an die Evangelische Kirche in Deutschland vom 21. 05. 1958: "Zum Verhältnis zwischen Sekten und staatlichen Stellen: Unter den Sekten, die erlaubt sind, scheinen die Neuapostolischen sich besonders um ein gutes Verhältnis zum Staat zu bemühen. Sie setzen damit im Grund nur die Linie fort, die sie schon in der nationalsozialistischen Zeit von Anfang an eingehalten haben. Die Neuapostolischen dürften auch zahlenmäßig die stärkste Sektengruppe in der DDR sein. " (Quelle: Olaf Wieland: Von einer" Sekte" zur "Freikirche"? Klärungsversuche innerhalb der Neuapostolischen Kirche am Beispiel der Diskussion zur DDR-Geschichte, in: Freikirchenforschung 16, Münster 2007, 251-259, hier 254., ISBN 978-3934109087)
Auch Schneiders Fortführung vom obigen Zitat hätte direkt zu den Staatszielen der DDR gepasst (fett markiert). So oder so ähnlich hätte man also in der DDR durchaus systemkonform mit einem realen, gesellschaftlichen Bezug predigen können:
"Wir sind keine Schwärmer, wir sind keine Träumer, und bis der Herr kommt bleiben wir Frauen und Männer der Tat. Wir machen auch Zukunftspläne für unsere Zukunft auf Erden. Ich weiß ja nicht, ob der Herr morgen kommt oder erst in 10 Jahren, in 20 Jahren, wir arbeiten bis er wiederkommt. Also planen wir auch unsere Zukunft auf dieser Erde vor. Auch da beziehen wir Jesus mit ein. Und bauen unsere Zukunftspläne, erarbeiten sie auf dem Fundament des Evangeliums, der Lehre Jesu Christi, sei es jetzt im Beruf, in der Ehe, in der Erziehung der Kinder, wir halten uns fest an der Lehre Jesu Christi, weil wir wollen ja seinem Willen entsprechen. Das gilt für unsere Beziehung zu dem irdischen Gut, zu dem Materiellen, da halten wir uns an das Gebot Jesu Christi. Das gilt für unsere Beziehung zum Nächsten, wir halten uns an die Regeln des Evangeliums. Das gehört auch dazu. Das ist unsere Zukunft, das ist unsere Wahl. Wir bereiten uns darauf vor, das kostet viel Mühe, wir harren aus bis ans Ende, die Kraft dafür schöpfen wir bei Jesus Christus. Wir schauen nur auf Ihn. Er ist der Anfänger, der Vollender unseres Glaubens, Er ist unser Vorbild, unsere Motivation, an Ihm orientieren wir uns. Das hat Auswirkung in unserer Gegenwart, und in die Zukunftspläne, die wir erarbeiten für unsere Zukunft auf dieser Erde."
Es sei hier erläuternd wiederholt, was ich schon zum Geschehen in der NAK Berlin Mariendorf schrieb:
(Zitat Anfang) Hinter jeder Ideologie, wie sie auch die Glaubenssätze der NAK darstellen, liegen emotionale Bedürfnisse ihrer Anhänger. Werden sie nicht mehr umfänglich erfüllt, wird das ganze System fragwürdig. Aber je mehr das Ding wackelt, desto stärker werden die Bemühungen der Funktionäre, durch rücksichtslos rigide Maßnahmen das Einstürzen ihres Machtapparates zu verhindern. Diese Versuche der Stabilisierung der von ihnen selbst inszenierten Wirklichkeit wirken sich dabei aber kontraproduktiv aus und beschleunigen den Selbstzerstörungsprozess nur noch mehr! Das mit seinen bevormundenden Lehrsätzen und Gefühlsvorgaben in sich selbst erstarrte System ist fragmentarisch geworden und damit „mit sich selbst uneins.“
Unberührt aber von jeglicher Realität sägen dennoch die Systemagenten und ihre Funktionäre gewaltig an dem Ast weiter, auf dem sie selbst sitzen! Das Prinzip des „Ich habe Recht, was immer ich auch tue“ oder auch „I'm Right, You're Wrong, Go To Hell“ duldet keinerlei Kritik und ist völlig immun gegenüber sachdienlichen Vorschlägen, die sich an den Gegebenheiten der Wirklichkeit und in die Zukunft gerichteten Planungen orientieren. Der Einzelne und dessen Schicksal oder Leid spielt eben absolut keinerlei Rolle, weil das zu schützende System moralethisch über allem steht. Der Studien-Ko-Autor Alex Haslam des Milgramexperimentes von der australischen Universität Queensland glaubte, „dass hinter jedem tyrannischen Verhalten eine Art der Identifikation steht, und damit eine Entscheidung." Und Stephen Reichert von der schottischen Universität St. Andrews meinte: "Wir argumentieren, dass die Menschen sich dessen bewusst sind, was sie tun, dass sie aber glauben, das Richtige zu tun. Das kommt von einer Identifizierung mit der Sache - und der Akzeptanz, dass die Autorität ein legitimierter Vertreter dieser Sache ist."
Dies gilt ganz sicher auch den narzisstischen Führungsverantwortlichen der NAK und ihren Vertretern bis hin zum letzten Glied im Diakon, die die vorgegebenen Normen der Kollektivmacht, mit denen sie sich identifizieren, zu vertreten haben. Ihre teilweise bösartigen Verhalten sehen sie selbst aber als vorbildlich loyal und ethisch notwendig an, denn ihre eigene menschliche Individualität haben sie längst an die Vorgaben des Systems abgegeben, die sie mittlerweile als persönliche Überzeugung verinnerlich haben. Gleiches gilt natürlich auch vielen Mitgliedern. Trotz aller Probleme bilden sie nach wie vor eine verschworene Schicksalsgemeinschaft, in der die NAK alternativlos scheint. Gerade aber untere Amtsstufen, die zum Leidwesen ihrer Glaubensgeschwister die völlig widersprüchlichen Anweisungen umzusetzen haben, werden immer öfter ihre „Vorangänger“ (was für eine Wortschöpfung!) in Frage stellen müssen. Das Motto „Gehorsam ist besser denn Opfer“ zieht im Zeitalter der raschen Informationen nur noch bedingt. Und der „Vorangänger“, der seine „Mitbrüder“ alleine im Regen stehen lässt und mit Lügen und Halbwahrheiten sich rauszureden sucht, wird nicht mehr lange Druck ausüben können, der unwidersprochen bleibt. Wenn einst die „Identifizierung mit der Sache - und der Akzeptanz, dass die Autorität ein legitimierter Vertreter dieser Sache ist“ zur Entscheidung für die Annahme und Ausfüllung des Amtes führte, so braucht es eben eine geraume Zeit und starke, äußere Anstöße, eine neue Entscheidung nun genau gegen dieselbe Sache zu treffen. Dass das aber aus verschiedenen Gründen für die handelnden Personen nicht einfach ist, wird auch in der Beschreibung zum Milgramexperiment deutlich gemacht: "Vermutlich müßten sie sich im Falle eines Abbruchs eingestehen, daß ihr vorheriges Verhalten falsch gewesen war. Allein dadurch, daß sie weitermacht, rechtfertigt sie ihre vorherige Handlungsweise. Somit ist dieser Wiederholungscharakter bereits ein Bindungsfaktor, der es der Versuchsperson erschwert, ungehorsam zu sein." (Zitat Ende)
Der für Berlin-Brandenburg noch immer amtierende BezAp Nadolny, Jg 1956, der in der DDR bei Leipzig sozialisiert und 1977 als Diakon bzw. 1993 als Apostel ordiniert wurde, formulierte am 29.6.2014 in der Ansprache zur Amtseinsetzung eines neuen Priesters in Mariendorf (zitiert aus einer mir vorliegenden wörtlichen Abschrift einer Aufnahme des gesamten GD´s):
„Ein Amtsträger ist wie der Stift in der Hand eines Schreibers. Wenn man einen Kugelschreiber nimmt und er will und will nicht? Was macht man damit? In die Mülltonne, weg damit. So macht es Gott, wenn ich nicht mehr in seiner Hand tauge.“ (BezAp Nadolnys Kugelschreiberzitat in Mariendorf 2014 hier im Zusammenhang zu hören aus der Ordinationsansprache )
Deutlicher kann die Verachtung des Menschen im System NAK nicht ausgedrückt werden, denn
(Zitat Fortsetzung) so und nicht anders ist diese Aussage von BAP Nadolny zu verstehen: Einen Amtsträger, der nicht richtig will, schmeißt Gott in die Mülltonne. Das zuallererst einmal die Mine gewechselt werden könnte, fällt natürlich niemandem ein! Aber wie schön souverän das im hier fehlenden Kontext der Ansprache im verfeierlichten Ton scheinbarer Demut doch klingt! In Wirklichkeit macht sich diese dort angesprochene Hand Gottes aber nur durch seine systemtreuen Handlanger in Gestalt der Apostel so richtig bemerkbar.[...] Die folgende Frage Nadolnys an den zukünftigen Priester beantwortet jedenfalls die Frage, wem man mehr zu gehorchen hat, Gott oder den Aposteln:
„Ich möchte Sie fragen, mein lieber Bruder, … ob Sie gewillt sind, im Glaubensgehorsam gegenüber den Aposteln zu dienen? Dann sagen Sie es bitte vor Gott und vor der Gemeinde mit einem herzlichen Ja.
Priester: „Ja.“
Der eingeforderte „Glaubensgehorsam gegenüber den Aposteln“ ist allem und jedem übergeordnet, Wohlmeinung, gute Gedanken etc. nützen allesamt nichts, wenn die Kirchenleitung anderer Auffassung ist. Man ist als Amtsträger der NAK nämlich kein „Stift“ in Gottes Hand, sondern verdingt sich zum willen- und gedankenlosen Untertan der sogenannten Apostel der Neuapostolischen Kirche. Es gibt nämlich keinen souveränen Gotteswillen außerhalb der Apostelfestlegung und Verkündung. (Zitat Ende)
Hiermit wurde und wird aktuell durch die führenden NAK-Apostel und weitere Amtsträger der christliche Glaube und Jesus Christus selbst instrumentalisiert für die Durchsetzung der systemeigenen Interessen. Zum neuapostolischen Christen ist laut Schneider konstitutiv:
"Ich belasse es dabei, bei diesen zwei Regeln: Lehre der Apostel, Gemeinschaft der Gläubigen. Ohne diese Regeln, wenn man diese Regeln nicht respektiert, kann man den Wettkampf nicht gewinnen."
Es gilt damals wie heute: Ab in die Tonne mit all den Amtsträgern oder Mitgliedern, die anderer Meinung sind! Mit praktizierendem Christsein und Religion hat dieser den Einzelnen völlig assimilierende Ansatz und Grundsatz der NAK nichts zu tun, er offenbart hingegen ihren nach wie vor unverzichtbar unterdrückenden Sektencharakter. Nebenbei ist anzumerken, dass die inoffizielle Mitarbeit in Form der Bespitzelung durchaus auch im Westen der BRD innerhalb der NAK praktiziert wurde. Auch hier gab es Fälle, in denen der Apostel z.B. einem Diakon oder Priester den Auftrag gab, einen Bezirksältesten oder Vorsteher, der nicht vollständig die Meinung und Haltungen der NAK predigte, zu überwachen und den Apostel über solche Vorfälle dann schriftlich oder telefonisch Bericht zu erstatten. Nicht Seelenheil ist das wirkliche Ziel der Neuapostolischen Kirche, sondern der Selbsterhalt um jeden Preis!
Olaf Wieland schreibt in seinem Offenen Brief an Stap Fehr von 2005: „In Gesprächen mit Vertretern des öffentlichen Lebens und mit Opfern der DDR-Staatssicherheit kam es auch zur Thematisierung der Haltung der NAK. Ihr Schweigen als Stammapostel der NAK wird als weitere Mitschuld (zweite Schuld) gewertet.“ Dann zitiert Wieland Aussagen von Besuchern der Veranstaltung zum 15. Jahrestag der Besetzung der Stasi-Zentrale in Berlin wie folgt:
„Die NAK lieferte die nötigen Kader zur Aufrechterhaltung des totalitären Systems, sie gehörte zu den Angepassten, den Mitläufern, den Wegsehern und Weghörern. Durch ihr Nichtstun wurde das Unrecht möglich und deshalb sind sie mitschuldig, Täter wie Mitläufer. Sie waren nicht nur Mitläufer, sie waren Unterstützer, wie beispielsweise der IM – Apostel Kurt Kortüm und der damalige IM - Bischof Willy Adam. Die NAK hat kein Recht, sich im Nachhinein als Opfer zu inszenieren, denn wer jetzt zu seiner Mitschuld u. a. als Unterstützer des Herrschaftsapparates der SED durch IM – Tätigkeit schweigt, vollendet das Werk der Täter. Auch wenn jeder Fall differenziert betrachtet werden muß, so bleibt im Endeffekt schlicht festzustellen, dass die besagten neuapostolischen Apostel mit den Sicherheitsorganen gearbeitet hatten und nicht gegen sie.“
Noch am 8.2.1989, also kurze Zeit vor dem Mauerfall, schrieb die DDR-Zeitung „Die Union“:
„Zu einem freundschaftlichen Gespräch mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Kurt Löffler, traf in Berlin der zu einem Besuch in der DDR weilende Kirchenpräsident Richard Fehr, erster Repräsentant der Neuapostolischen Kirche International, zusammen. [...] Kirchenpräsident Fehr sagte, bei seinen Besuchen in der DDR sei er jedes Mal ‘in ein sicheres und geordnetes Land gekommen’. Der Gast dankte dem Staatssekretär und den Staatsorganen für die den neuapostolischen Kirchen in der DDR gewährte Unterstützung.“
Und im Oktober 89, als die Mauer schon offen war, hat die NAK als einzige Kirche der SED öffentlich eine Grußbotschaft zum 40jährigen Jubiläum geschickt.
Vier weitere Beispiele sollen die behauptete Unterstützung und gezielte, staatspolitische Beinflussung hier stellvertretend dokumentieren:
Aus einem geheimen Stasi-Bericht von 1968: „Neben Bischof Pusch trat auch besonders Bezirksapostel Tiedt/Apostelbezirk Schwerin positiv auf. Im Verlaufe der Besprechung erklärte Pusch weiter, ihm seien seitens der Funktionäre der Neuapostolischen Kirche keine negativen Äußerungen zur Verfassung bekannt geworden und er schätze ein, dass die Mitglieder der Verfassung ihre Zustimmung geben. […] Während der Bezirksvorsteher-Besprechung wurde Einigung darüber erzielt, die am Mittwoch, 3.4.1968 stattfindenden obligatorischen Gottesdienste dazu zu nutzen, den Mitgliedern die zustimmende Haltung der Bezirksvorsteher zur Verfassung nahezulegen“
Wahlbeteiligung kirchlicher Amtsträger - Jahrgänge - BStU (ddr-im-blick.de):"Während des Gottesdienstes der Neuapostolischen Kirche in Pirna wurde die Gemeinde durch den Prediger aufgefordert, sich vollzählig an den Wahlen zu beteiligen und die Kandidaten der Nationalen Front zu wählen."
Bezirksältester Werner Pflugmacher (IM "Jünger"): „Auch in diesem Falle wird jeder Gottesdienst der Neuapostolischen Kirche der Obrigkeit in einem Gebet gedankt. Entsprechend ihrer Glaubenslehre sind sie Untertan der Obrigkeit und haben die Gesetze zu achten. Sie selbst würden es nicht dulden, daß ein Gläubiger ihrer Kirche die Obrigkeit verleumdet.“ Quelle: BV Nbg AKAG 215/88, Bl. 25
Apostel Kortüm (IM Kurt Sigmund) Zitat aus der Anwerbungsbericht der Stasi: "Kortüm versicherte, über Begegnungen dieser Art und dem dabei Besprochenen gegenüber Jedermann zu schweigen, da er sich immerhin bewußt sei, daß er ansonsten innerhalb seiner Kirche alles Vertrauen verlieren und sich unmöglich machen würde." Quelle: MfS BV Leipzig 1753/85
Und noch immer wird geschwiegen: Anstatt sich zu gemachten Fehlern zu bekennen und sich bei Personen, die dadurch geschädigt wurden, zu entschuldigen, schweigen die NAK als Institution und ihre Apostel Jesu beharrlich zu historischen oder gegenwärtigen, eindeutigen Fehlern und Fehlverhalten! Stattdessen fordert man Stillschweigen, Nachfolge und Unterordnung vom Geschädigten ein. Und das ist eindeutig und nachweislich nicht nur Amtsmissbrauch aller beteiligten Amtsträger, vom Priester bis hin zum Bezirks- und Stammapostel und von damals bis heute, der bisher die Täter stets absolut folgenlos davonkommen ließ! Sondern es ist auch ein Machtmissbrauch, Emotionaler Missbrauch, Geistlicher Missbrauch und Seelischer Missbrauch.
Stap Schneider forderte in seiner Predigt 2017 in Durban/Südafrika aber geradezu zum Täterschutz auf:
"Es ist nicht unsere Aufgabe auf die Narbe der Sünde zu zeigen, oder darauf zu drücken, dass der Sünder leidet. Sonst werden wir zu Sündern und nicht mehr der andere."
Dem ist deutlich zu widersprechen, denn:
1.Jede Person, die von Missbräuchen weiß und dazu schweigt, macht sich mit schuldig an den zum Teil generationsübergreifenden Schädigungen der davon betroffenen Menschen!
2. Und gerade die Neuapostolische Kirche als Institution sollte im eigenen Interesse endlich ihre Geschichtsaufarbeitung ohne Einschränkungen in Auftrag geben bzw. den bereits erstellten Bericht zur Ära Stap Bischoff sofort offenlegen. Ferner sollte sie Verantwortung übernehmen, ihre Schuld bereuen und bekennen und in aller Form und vor aller Öffentlichkeit auch und gerade bei den noch lebenden Opfern angemessen um Entschuldigung und Verzeihung zu bitten, denn
3. es gilt das Jesuwort auch für die NAK: "Wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe." (Matthäus 5, 23f)
4. Ein anderer Weg in die eigene und unter ökumenischen Aspekten auch gemeinsame Zukunft ist nicht denkbar, denn „die Vergangenheit ist niemals tot. Sie ist nicht einmal vergangen.“ (William Faulkner)
Siehe auch Links zum Thema:
Offener Brief an aktive Amtsträger der NAK: Zweifler an der Lehre berauben sich des göttlichen Segens (PDF als Druckfassung)
Glaubensgehorsam als Bindeglied zur staatlichen Diktatur, Copyright Rudolf J. Stiegelmeyr, 2021
Nachbemerkung: In loser Folge werden nun zum Thema der Tätigkeit von Amtsträgern der NAK als Inoffizielle Mitabeiter des Staatssichertsministeriums der ehemaligen DDR in der kommenden Zeit immer wieder Texte von Olaf Wieland eingestellt werden. Die den Artikeln vorangestellten Daten bezeichnen jeweils das Einstellungsdatum.Olaf Wieland trat am 20. Juni 2017 aus der NAK offiziell aus. In einem umfangreichen Schreiben zum Austritt notierte er:
„Auch dem offensichtlichen Wunsch des Bezirksevangelisten (BE) und Öffentlichkeitsbeauftragten der NAK Berlin-Brandenburg, Karsten Hühn, im Büro des BAP Wolfgang Nadolny, welcher nach dem Lesen meines Aufsatzes „Vom Segen gemeinsamer Arbeit. Die NAK und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der damaligen DDR“ in der Zeitschrift „Berliner Dialog“ 34 neuapostolisch-"taktvoll" äußerte: „Und so einer ist Mitglied unserer Kirche“, wird mit meiner Konversion entsprochen. Wie man daran unschwer erkennen kann, ist die individuelle Haltung bzw. Innenansicht neuapostolischer Mitglieder nach wie vor unerwünscht und passt nicht in den verordneten „Glaubensgehorsam“, der in Wahrheit ein Kadavergehorsam zu Amtsträgern ist.“
Ich persönlich freue mich darüber, dass meine kritischen Informationen zur NAK durch diesen historischen Aspekt zur DDR-Vergangenheit erweitert und bereichert werden und hoffe, durch die Leseangebote und die damit zusammenhängenden Aspekte und Problematiken hier nun konzentriert und aufklärend einem breiteren Publikum unter dem Gedanken "Aufklärung statt Vertuschung" zugänglich machen zu können. nach oben
6.5.2021 Detlef Streich: Offener Brief an den Stammapostel/ Kirchenpräsidenten der Neuapostolischen Kirche (NAK) Jean-Luc Schneider (pdf zum Offenen Brief)
Zur Kenntnis: BezAp Ehrich, BezAp Storck, BezAp Krause, BezAp Nadolny, BezAp Zbinden und weitere Verteiler
Betr.: Staatskonformes Verhalten von Amtsträgern der Neuapostolischen Kirche (NAK) im deutschen Kaiserreich, im NS-Staat und in der DDR zum Schaden der ihnen anvertrauten Glaubensgeschwister
Sehr geehrter Kirchenpräsident und Stammapostel Schneider,
ich möchte den bevorstehenden 8. Mai als den Gedenktag der Befreiung vom Nationalsozialismus zum Anlass nehmen, einen umfassenden Blick auf die Rolle der Neuapostolischen Kirche in dieser traurigen Zeit zu richten. Das aufgeklärte Denken heutiger Zeit lässt es zu, sachlich und ohne Zurückhaltung sich dieser Thematik angemessen anzunähern. Auch unter dem Aspekt christlicher Nächstenliebe stellen sich Fragen, die bis heute gerade in der NAK noch nicht hinreichend genug bearbeitet und beantwortet wurden, ja denen man sich seitens der Kirchenleitung teilweise nicht einmal offen gestellt hat. Die christlichen Kirchen Deutschlands, die sich auch den Gegebenheiten der damaligen Zeitverhältnisse angepasst hatten, haben ihre in dieser Zeit auf sich geladene Schuld in verschiedenen Bekenntnissen zeitnah deutlich eingestanden und für ihr Fehlverhalten in aller Form öffentlich um Entschuldigung gebeten (z.B. EKD 1945 Stuttgarter Schulderklärung). Bei der NAK steht dieser Schritt noch aus. Aus vielen Gründen wäre es angemessen, das jahrelange Schweigen zu diesem traurigen Schandfleck deutscher Geschichte und speziell zur neuapostolischen Kirchengeschichte aufzugeben. Ähnliches gilt für die Zeit der NAK in der DDR und den heute aufgedeckten Spitzeltätigkeiten von Amtsträgern - unter Verletzung des Beichtgeheimnisses - als freiwillig Inoffizielle Mitarbeiter (IM) für die Staatssicherheit.
Ein wesentlicher Aspekt in der Betrachtung dieser Zeit ist der 10. Glaubensartikel der NAK. Sie selbst haben den 10. GA am 3.1.2021 in Winterthur zum Neujahrsgottesdienst – ich zitiere einen Auszug aus der offiziellen Mitschrift – in Ihrer Predigt erwähnt und dann ausgeführt:
"Solange die Anordnungen und Vorschriften der Obrigkeit, der Behörde nicht gegen den Willen Gottes verstoßen, sind wir gehorsam. Es gibt Leute, die haben mich gefragt: Ja wieso tragt ihr eine Maske? Antwort: Weil ich neuapostolisch bin. Das ist eine Vorschrift der Behörde. Und um zu wissen, ob ich jetzt dieser Vorschrift Folge leisten soll oder nicht, gibt es eine Referenz: das Gebot Gottes. Und nicht meine Meinung. Nicht meine Auffassung. Ich empfehle die entsprechenden Kapitel des Katechismus wieder zu lesen. Wir orientieren uns an den Vorschriften der Regierung, wenn sie nicht gegen das Gesetz Gottes verstoßen. Maßgabe ist nicht meine Meinung, sondern das Gebot Gottes."
Das Grundrecht der freien Meinung und Meinungsäußerung ist ein grundlegender Pfeiler unserer Demokratien. Politische Diskussionen und auch Gesetzesbildungen basieren auf diesem Prinzip der Akzeptanz der freien und auch diskursiven Meinung. Und Mitbürger sind aufgerufen, an diesen Prozessen aktiv teilzunehmen und sie mitzugestalten. Sie aber haben in Ihrer Predigt angeführt, dass der politische Wille von Regierungen auf Gottes Gebot und Willen basiert und somit die eigene Meinung nicht maßgeblich sei (Zitat: „Es gibt eine Referenz: das Gebot Gottes. Und nicht meine Meinung. Nicht meine Auffassung!“). Diese kirchliche Anordnung von Ihnen unter Berufung auf den 10. Glaubensartikel (ab 1992 „ Ich glaube, dass ich der weltlichen Obrigkeit zum Gehorsam verpflichtet bin, soweit nicht göttliche Gesetze dem entgegenstehen.“) fordert aber in Ihrer Formulierung die Zuhörer – als mündige Staatsbürger! - zum blinden Befolgen staatlicher Maßgaben ohne jedes eigene Wollen oder Denken auf. Problematisch ist dabei besonders, dass Ihre Ausdeutung sinngemäß sehr an die veraltete und somit überholte Fassung von 1908 anknüpft („Ich glaube, dass die Obrigkeit Gottes Dienerin ist uns zugute, und wer der Obrigkeit widerstrebt, der widerstrebt Gottes Ordnung, weil sie von Gott verordnet ist.“). Aber genau diese von Ihnen aktuell eingeforderte Haltung hat eine lange Tradition, die in meinem Artikel „ Anmerkungen zur NAK zu Zeiten des Kaiserreichs, des Nationalsozialismus und in der DDR“ ausführlich dargestellt und kritisiert wird. Meine Ausführungen in diesem Artikel, der Ihnen im Anhang dieses Anschreibens zur Verfügung steht, sind zentraler Bestandteil dieses Offenen Briefes, können aber auch online gelesen werden (siehe Links im Anhang).
Hier an dieser Stelle sollen im Offenen Brief an Sie aus meinem Artikel zunächst nur zusammenfassend die wesentlichen Kurzinformationen (Abstract) und die Conclusio eingefügt werden unter der Prämisse:
Matthäus 5, 23f "Darum, wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe."
Anhand von Zitaten und Berichten wird in meinem vollständigen Artikel ausführlich dargestellt, wie sich die Kirchenführung der NAK zu Zeiten des Kaiserreichs, des Nationalsozialismus und in der DDR zum bereitwilligen Handlanger des jeweiligen Staates und seiner Ziele gemacht und christliche Verhaltensweisen und seelsorgerische Verantwortung dabei über Bord geworfen hat.
Der 1908 eingeführte 10. Glaubensartikel ermöglichte es der NAK-Führung, die funktionale Trennung zwischen Staat und Kirche aufzuheben und die jeweiligen politischen Ziele zu gleichrangigen Glaubensgrundsätzen zu erheben, denen die NAK-Mitglieder in absolutem Gehorsam folgen mussten. Dies konnte funktionieren, weil die Struktur diktatorischer und totalitärer Systeme auch den Struktur- und Wertevorstellungen der autoritären Kirchenführung entsprach.
Staatlich wie kirchlich wurden eigens ideologische Denkwelten konstruiert, welche die vorhandene menschliche Wirklichkeit durch eine fiktive Parallelwelt ersetzten und in denen die aufgebaute Schein-Welt zur kollektiv geglaubten Wahrheit wurde. Damit stabilisierte und legitimierte die NAK durch die Übernahme der staatlichen Denk- und Verhaltensvorgaben automatisch ihre eigene Richtigkeit und Existenzberechtigung.
Keinesfalls ging es - wie offiziell bisher stets behauptet – um eine bloße Anbiederung oder erforderliche Anpassung als Überlebensstrategie an diese zeitbedingten politischen Systeme. Die Ursache der Annäherung liegt vielmehr in der Gleichartigkeit des Denkens: Das Ziel und Kernstück beider Systeme ist nicht das Wohl der an sie glaubenden Menschen, sondern die voraussetzungslose und absolut eingeforderte, unbedingte Nachfolge gegenüber den jeweils geistlichen Führern und der Erhalt ihres Machtapparates. Die Person als Einzelne galt nichts, sondern ihre uneingeschränkte Hingabe an die Sache. Die vollständige Unterstützung der aufgebauten Institutionen und Strukturen waren kirchlich wie politisch der Gradmesser ihrer Treue zum System, auch und explizit zur Institution NAK.
Alle daran mitarbeitenden Amtsträger der NAK im Nationalsozialismus und in der DDR machten und machen sich noch heute durch ihr Schweigen des Amts- und Machtmissbrauchs schuldig. Sie sind und waren nicht nur Mitläufer wie so manche anderen gesellschaftlichen Mitglieder, sondern müssen als Täter angesehen werden, die das System NAK bis auf den heutigen Tag um den Preis der Selbstaufgabe der Kirchenmitglieder stützen und erhalten.
Und leider muss festgestellt werden: Anstatt sich zu den gemachten Fehlern offen zu bekennen und bei Personen, die dadurch geschädigt wurden, um Verzeihung zu bitten, schweigen die NAK als Institution, Sie als Stammapostel, die Bezirksapostel und Apostel beharrlich zu historischen oder gegenwärtigen und eindeutigen Fehlern und Fehlverhalten! Stattdessen fordert man zudem noch Stillschweigen, Nachfolge und Unterordnung von geschädigten Glaubensgeschwistern ein. Und das ist eindeutig und nachweislich Amtsmissbrauch aller beteiligten Amtsträger, vom Priester bis hin zum Bezirks- und Stammapostel, und von damals bis heute. Als Folge daraus sind die Täter stets absolut folgenlos davongekommen! Zudem ist dieses Verhalten auch ein Machtmissbrauch, Emotionaler Missbrauch, Geistlicher Missbrauch und Seelischer Missbrauch.
Sie selbst, Stammapostel Schneider, forderten als hauptverantwortlicher Leiter der NAK in Ihrer Predigt 2017 in Durban/Südafrika geradezu zum Täterschutz auf:
"Es ist nicht unsere Aufgabe auf die Narbe der Sünde zu zeigen, oder darauf zu drücken, dass der Sünder leidet. Sonst werden wir zu Sündern und nicht mehr der andere."
Dieser Forderung von Ihnen ist jedoch deutlich zu widersprechen, denn:
1. Jede Person, die von Missbräuchen weiß und dazu schweigt, macht sich mit schuldig an den zum Teil generationsübergreifenden Schädigungen der davon betroffenen Menschen!
2. Und gerade die Neuapostolische Kirche als Institution sollte im eigenen Interesse endlich ihre Geschichtsaufarbeitung ohne Einschränkungen in Auftrag geben bzw. den bereits erstellten Bericht zur Ära Stap Bischoff sofort offenlegen. Ferner sollte sie Verantwortung übernehmen, ihre Schuld bereuen und bekennen und in aller Form und vor aller Öffentlichkeit auch und gerade bei den noch lebenden Opfern angemessen um Entschuldigung und Verzeihung zu bitten, denn
3. es gilt das Wort Jesu auch für die NAK: "Wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und opfere deine Gabe." (Matthäus 5, 23f)
4. Ein anderer Weg in die eigene und unter ökumenischen Aspekten auch gemeinsame Zukunft ist nicht denkbar, denn „die Vergangenheit ist niemals tot. Sie ist nicht einmal vergangen.“ (William Faulkner)
Auch die weiteren Beiträge auf der Unterseite "Die NAK in der DDR" von Olaf Wieland sind von Ihnen als Belege für das missbräuchliche Handeln der Amtsträger der NAK in der DDR als Bestandteil dieses Offenen Briefes zur Kenntnis zu nehmen und bei Ihrer Antwort inhaltlich angemessen zu berücksichtigen:
1.5.2021 Aus dem deutschen Bundesarchiv ein Bericht des MfS (Ministerium für Staatssicherheit): Über die Haltung [...] der Neuapostolischen Kirche der DDR zur neuen Verfassung (1968)
16.4.2021 Hochrangige Vertreter der Neuapostolischen Kirche waren Spitzel - Ein Interview mit Olaf Wieland
19.4.2021 „Vom Segen gemeinsamer Arbeit“ Neuapostolische Kirche (NAK) und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der damaligen DDR (2014)
23.4.2021 Offener Brief an den Bezirksapostel i. R. Willy Adam Neuapostolische Kirche Mecklenburg zu seiner IM-Tätigkeit für die Stasi
24.4.2021 BezAp Kurt Kortüm war Inoffizieller Mitarbeiter (IM Deckname „Kurt Sigmund“) für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) - Ein Geheimer Bericht über seine Anwerbung durch die DDR-Sicherheitsorgane
So möchte ich Sie am Schluss deutlich auffordern, den bisher zurückgehaltenen Forschungsbericht zur Botschaftsära Stammapostel Bischoffs umgehend öffentlich zu machen und die Zeit der NAK in der DDR und im Nationalsozialismus als eigene Geschichtsaufarbeitung grundlegend und zeitnah ohne jede Vorgabe extern aufarbeiten zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen und guten Wünschen für Sie und Ihre Amtstätigkeit
gez. Detlef Streich
P.S.: Ich weise darauf hin, dass dieser Brief auch auf Internetseiten veröffentlicht wird.
Anhang:
Von der Homepage: NAK- Austiegshilfen
Unterseite: Die NAK in der DDR
Artikel: Anmerkungen zur NAK zu Zeiten des Kaiserreichs, des Nationalsozialismus und in der DDR
Autor: Detlef Streich (Fassung vom 6. Mai 2021)
1.5.2021 Aus dem deutschen Bundesarchiv: Bericht des MfS (Ministerium für Staatssicherheit) 1968
Vorbemerkung DS: Zitat aus der Verfassung der DDR (Quelle):
ARTIKEL 41
(2) Einrichtungen von Religionsgemeinschaften, religiöse Handlungen und der Religionsunterricht dürfen nicht für verfassungswidrige oder parteipolitische Zwecke mißbraucht werden. [...]
Zitat aus dem nachfolgenden Bericht: "Während der Bezirksvorsteher-Besprechung wurde Einigung darüber erzielt, die am Mittwoch, 3.4.1968 stattfindenden obligatorischen Gottesdienste dazu zu nutzen, den Mitgliedern die zustimmende Haltung der Bezirksvorsteher zur Verfassung nahezulegen. In der Hauptstadt der DDR wurden die Gemeindeleiter von Berlin bereits in einer Besprechung vor den Gottesdiensten von diesem Standpunkt durch Bischof Pusch unterrichtet."
Demnach war das parteipolitische Verhalten von Bischof Pusch, den Berliner Bezirksvorstehern und Gemeindevorstehen in der DDR bereits 1968 missbräuchlich und somit nach DDR-Recht bereits verfassungswidrig!
Gleiches gilt für diese Beeinflussung vom 17. Oktober 1976:
Wahlbeteiligung kirchlicher Amtsträger - Jahrgänge - BStU (ddr-im-blick.de):
"Während des Gottesdienstes der Neuapostolischen Kirche in Pirna wurde die Gemeinde durch den Prediger aufgefordert, sich vollzählig an den Wahlen zu beteiligen und die Kandidaten der Nationalen Front zu wählen."
Baptisten und Neuapostolische Kirche der DDR zur neuen Verfassung
Quelle: Baptisten und Neuapostolische Kirche der DDR zur neuen Verfassung - Jahrgänge - BStU (ddr-im-blick.de) (Anmerkung: Fettdruck nicht im Original)
3. April 1968
Einzelinformation Nr. 375/68 über die Haltung der Religionsgemeinschaft der Baptisten und der Neuapostolischen Kirche der DDR zur neuen Verfassung und zum Volksentscheid
Dem MfS wurde bekannt, dass […]
Eine allgemein positive Haltung der leitenden Persönlichkeiten der Neuapostolischen Kirche zum 1. Entwurf der Verfassung zeichnete sich bereits Anfang des Jahres ab, besonders auch während eines Gesprächs, das im Rahmen der Verfassungsdiskussion auf Initiative der Nationalen Front mit kirchlichen Würdenträgern in Dresden stattfand. Daran hatten seitens der Neuapostolischen Kirche Bischof Pusch/Apostelbezirk Berlin und Bezirksapostel Kortüm/Apostelbezirk Leipzig teilgenommen. (Von den vier Bischöfen der Neuapostolischen Kirche in der DDR ist Bischof Pusch der Beauftragte der Kirche, der die Verbindung zum Staatsapparat unterhält.)
Bischof Pusch brachte während dieses Gesprächs eine positive Meinung zur neuen sozialistischen Verfassung zum Ausdruck. Dabei äußerte er, die DDR müsse als vorbildlich bezeichnet werden, wenn sie sich mit der neuen Verfassung verpflichte, keine Aggression gegen einen anderen Staat zu unternehmen. Zum Artikel 38 (jetzt 39) meinte er, man dürfe ihn nicht isoliert betrachten, wie dies durch einige kirchliche Persönlichkeiten erfolgt sei. Die Formulierung des Artikels 38 entspreche den Interessen der Neuapostolischen Kirche, die bestrebt sei, ein gutes Verhältnis zum Staat zu entwickeln.
Durch Bischof Pusch wurde das im Rahmen der Nationalen Front geführte Gespräch Mitte Februar 1968 in einer Bezirksvorsteher-Besprechung des Apostelbezirks Berlin ausgewertet. Nachdem Pusch seine zustimmende Meinung zur Verfassung wiederholt hatte, stimmten die anwesenden Bezirksvorsteher dieser Haltung zu und kamen überein, diesen Standpunkt in Gottesdiensten und Gesprächen mit den Mitgliedern ihrer Kirche aufrechtzuerhalten.
Neben Bischof Pusch trat auch besonders Bezirksapostel Tiedt/Apostelbezirk Schwerin positiv auf. Im Verlaufe der Besprechung erklärte Pusch weiter, ihm seien seitens der Funktionäre der Neuapostolischen Kirche keine negativen Äußerungen zur Verfassung bekannt geworden und er schätze ein, dass die Mitglieder der Verfassung ihre Zustimmung geben. […]
Während der Bezirksvorsteher-Besprechung wurde Einigung darüber erzielt, die am Mittwoch, 3.4.1968 stattfindenden obligatorischen Gottesdienste dazu zu nutzen, den Mitgliedern die zustimmende Haltung der Bezirksvorsteher zur Verfassung nahezulegen.
In der Hauptstadt der DDR wurden die Gemeindeleiter von Berlin bereits in einer Besprechung vor den Gottesdiensten von diesem Standpunkt durch Bischof Pusch unterrichtet.
Die Information ist nicht öffentlich auswertbar.
Foto: Bundesarchiv, Bild 173-1282 / Helmut J. Wolf / CC-BY-SA 3.0
Artikel von Olaf Wieland:
Als einfaches Mitglied der Neuapostolischen Kirche (am 20. Juni 2017 aus der NAK offiziell ausgetreten) beschäftige ich mich seit Jahren mit der jüngeren Geschichte unserer Kirche und veröffentlichte meine Forschungsergebnisse in diversen Aufsätzen und Forschungsberichten. Im ökumenischen Geiste trat ich im März 2006 dem Verein für Freikirchenforschung e.V.16 mit Sitz in Münster / Westfalen bei und wurde dort von den im Verein für Freikirchenforschung (VFF) vertretenen Mitgliedern aus verschiedenen Denominationen herzlich empfangen und in meiner Arbeit unterstützt. Der Geschäftsführer des VFF Pastor Reimer Dietze teilte mir nach meinem Beitritt am 23.03.2006 in einem Schreiben mit:
„Über Ihren Beitritt zu unserem Verein freuen wir uns sehr und heißen Sie in unseren Reihen herzlich willkommen. Es ist das erstemal, daß jemand aus der Neuapostolischen Kirche Interesse an der Mitarbeit in unserem Verein bekundet. Das schätzen wir ganz besonders.“[…]
Weitere Forderungen aus meinem offenem Pfingstbrief 2015 u.a. an Stap Schneider: (Quelle naktalk)
4. Hinsichtlich der verschleppten Aufarbeitung der Zusammenarbeit neuapostolischer Amtsträger mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der damaligen DDR plädiere ich stellvertretend für die zahlreichen neuapostolischen inoffiziellen Mitarbeiter des MfS für eine Veröffentlichung der gesamten Stasiakte des Bezirksapostels Kurt Kortüm (IM „Kurt Sigmund“) aus Leipzig sowie der umfangreicheren Stasiakte des Bezirksältesten Gerhard Wolter (IM „Gerhard“) aus Stralsund auf der Homepage der NAK.
5. Aufklärungsbedarf besteht auch hinsichtlich der opportunistischen Haltung der westdeutschen neuapostolischen Kirchenleitung zum DDR-Staat. Nach Aussagen eines neuapostolischen Priesters, welcher über Jahrzehnte als inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das MfS arbeitete und Informationen aus Ämterversammlungen der NAK an die Stasi weiterleitete, wäre die DDR in der unkritischen Beurteilung der westdeutschen Kirchenleitung anscheinend aus damaliger Sicht immer „ein sicheres und geordnetes Land“ gewesen. […] Nach einem Spitzelbericht des neuapostolischen Priesters und IM „beneidete“ beispielsweise der Stammapostel Walter Schmidt aus der BRD die Amtsträger in der DDR, „weil sie in der DDR ein besseres und leichteres Arbeiten hätten und bessere Beziehungen zum Staate hätten, als es in Westdeutschland der Fall wäre.“( Zitiert aus Unterlagen der BStU) Politisch verfolgte Menschen in der DDR konnten in den Augen der autoritären westdeutschen neuapostolischen Kirchenleitung nur „Kriminelle“ sein (siehe zu Sanktionen an Systemfeinden in der DDR auch Wieland im BERLINER DIALOG 2014/ 31):
„Während ich überlebte und 1971 von der deutschen Regierung freigekauft wurde, beleidigte mich der damalige `Bezirksapostel´ Arno Steinweg, stellvertretend für alle in politischer Haft in der DDR befindlichen Opfer der Gewaltherrschaft, als `Krimineller`, ohne sich dafür je entschuldigt zu haben.“ (vergleiche Stasibericht zu IM Willy Adam)
Interview aus der evangelischen Wochenzeitung „Die Kirche“, 14.07.2004:
IM Apostel (IM= Inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes/Stasi)
Hochrangige Vertreter der Neuapostolischen Kirche waren Spitzel
"Die Neuapostolische Kirche (NAK) ist eine sehr extreme und strenge christliche Sekte", urteilt Pfarrer Thomas Gandow, Sektenbeauftragter der EKBO. In der Öffentlichkeit gilt die NAK als harmlose Freikirche, doch Aussteiger erheben schwere Vorwürfe: Die Sekte treibe ihre Mitglieder in die Isolation, setze sie psychisch unter Druck und überwache das Privatleben der Gläubigen bis ins Kleinste. Den sogenannten Aposteln an ihrer Spitze sind alle Kirchenmitglieder zu absolutem Gehorsam verpflichtet. Aktives Mitglied war der 38-jährige Olaf Wieland aus Hamburg. Heute steht er der viertgrößten Religionsgemeinschaft mit 380.000 Mitgliedern in Deutschland kritisch gegenüber. Mehrere Jahre erforschte er im Bundesarchiv und bei der Konrad-Adenauer-Stiftung die Vergangenheit der NAK. Ergebnis: Die Neuapostolische Kirche arbeitete mit der DDR-Staatssicherheit zusammen.
Mit Olaf Wieland sprach Sibylle Sterzik
Wie stehen Sie zur Neuapostolischen Kirche (NAK)?
Ich bin in diese Kirche hineingeboren. Mein Vater war Priester. Schon als Jugendlicher stellte ich kritische Fragen zur kirchlichen Vergangenheit. Aber wenn man Kritik übt, wird man ausgegrenzt. Mit mir wurde nicht mehr gesprochen. Anfangs ging ich trotzdem noch zur Kirche, seit zehn Jahren nicht mehr. Aber ich musste sehr mit mir kämpfen, weil der psychische Druck, den diese Kirche ausübt, sehr hoch ist. Wenn man gegen die Maßstäbe der NAK verstößt, entsteht sofort die Angst, "verloren" zu sein. Uns wurde eingehämmert, Jesus würde nur diejenigen retten, die nach den Geboten der Neuapostolen leben.
Sie haben eine Selbsthilfegruppe für NAK-Kritiker gefunden.
Mich verfolgte die Angst: Wenn ich mich von der Kirche entferne, bin ich verloren. Einigen aus der Gruppe, mir auch, bescheinigte das Versorgungsamt Lübeck eine seelische Behinderung aufgrund der rigiden Erziehungsmethoden der NAK.
Was hat Sie bewogen, die Verwicklungen der NAK mit den Staatssicherheitsorganen des DDR-Regimes zu erforschen und was wollen Sie erreichen?
Die Forschungsarbeit begann ich mit zwei Mitgliedern der Selbsthilfegruppe, die wie ich aus der DDR kommen. Wir wollen die Kirche anprangern wegen ihrer Verfehlungen in der Vergangenheit. Im guten Sinn, damit sie umkehrt, Reue übt und Buße tut. Sie soll ein Mitschuldbekenntnis ablegen im Blick auf ihre Vergangenheit im NS-Staat und die massive Unterstützung des Unrechtsregimes in der DDR. Die NAK, die sehr reich ist, weil alle Mitglieder den Zehnten vom Bruttogehalt abgeben, soll in einen Opferfond für ehemalige politische Häftlinge einzahlen, wie das die Evangelische Kirche für die Zwangsarbeiter getan hat.
Worin sehen Sie Mitschuld an den Verbrechen des NS-Staates?
Die NAK hat das System auf allen Gebieten unterstützt und gefördert. 13 Apostel waren in der NSDAP. Dabei gelten die Apostel als die einzigen, die das Erlösungswerk Christi auf Erden weiterführen. Nur durch sie kann man sich "versiegeln" lassen und "ein Gotteskind" werden. Die kircheninterne Zeitschrift "Unsere Familie" druckte nationalsozialistische und Kriegspropaganda. Der Sohn des Stammapostels Johann Bischoff war in der SA. "Jeder sei untertan der Obrigkeit" (Römer 13) wurde undifferenziert angewendet. Offiziell gab es keinen Widerstandskämpfer. Mein Großvater war trotzdem einer. Er versteckte Juden. In der NAK und meiner Familie war er deswegen nicht gut angesehen. Ich bin stolz auf ihn!
Was haben Sie über die Verstrickung mit dem DDR-Staatsapparat herausgefunden?
Mir liegen von der Gauck-Behörde zwei Anwerbeprotokolle vor, die den Apostel Kurt K. als IM "Kurt Sigmund" und Willy A., früherer Bischof der NAK, als IM "Willy" "auf freiwilliger Grundlage angeworben" ausweisen. Per Handschlag versprach K. mitzuarbeiten. Ich habe 131 Seiten Berichte von Apostel-Treffen, die sie der Staatssicherheit lieferten. Die Evangelische Kirche bezeichnete K. übrigens in einem Bericht als eine, die "die Lehre und Linie von Christus schon längst verlassen hat" und "lieber abtreten sollte". Kurt K. traf sich konspirativ mit dem Oberstleutnant Manfred Seltmann, einem dem MfS treu ergebenen Offizier im besonderen Einsatz (OibE). Ein oberster Würdenträger, der allein das Recht hat, Menschen zu verstoßen oder zu versiegeln, ließ sich freiwillig mit den DDR-Sicherheitsorganen ein. Im Bericht von Unterleutnant der Kriminalpolizei Leubner heißt es: "Auf die konkrete Frage, ob er einer Zusammenarbeit mit mir zustimmt, sagte er, dass er keine Gründe hätte, diese abzulehnen." Die Abteilung K1 der Kriminalpolizei arbeitete eng mit der Staatssicherheit zusammen.
Wurde jemandem geschadet?
Mit ihren Berichten gaben der Apostel und der Bischof zielgerichtet Hinweise auf Leute, die dem Gottesdienst länger fern blieben. Mangelhafter Gottesdienstbesuch wurde dann gleichgesetzt mit einem zwielichtigen Umgang und asozialem Lebenswandel. Das war denunzierend! Dadurch gerieten betreffende Personen ins Visier der Sicherheitsorgane. Eine Frau wurde wegen angebeblicher Vorbereitung zur Republikflucht von ihrem Gemeindevorsteher angezeigt. Auch Zeugen Jehovas, wenn sie zu uns in den Gottesdienst kamen, wurden bei der Polizei denunziert. Sie waren seit 1950 in der DDR verboten. Eine Kirchengemeinschaft lieferte die andere ans Messer.
Der Apostel ist gestorben, der Bischof lebt noch.
Wir wollen nicht anklagen, sondern wissen, wieso er beziehungsweise die NAK da mitgemacht hat, obwohl andere sich aus ihrer christlichen Grundeinstellung verweigert haben. Man hätte ohne Nachteile auch ablehnen können. Den Bischof und Bezirksapostel im Ruhestand werden wir in einem Brief bitten, zu seiner IM-Tätigkeit Stellung zu nehmen. Das passt einfach nicht zusammen, so ein hohes Amt und die freiwillige Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen einer Diktatur. Am meisten kritisieren wir die Unfähigkeit der NAK ihr Fehlverhalten zuzugeben.
Die NAK befindet sich aber zurzeit in einem – wenn auch zögerlichen – Öffnungsprozess. Die Medien sind aufmerksam geworden. Nun steht die NAK unter Druck und gibt sich liberal.
Das ist Taktik, mehr nicht. Es zielt zum einen auf öffentliche Image-Pflege angesichts einer kritischen Öffentlichkeit und zum anderen darauf, Kritik von innen zu unterdrücken. Es geht nur darum, Mitglieder zu halten. Tausende sind in Deutschland schon ausgetreten.
Rechnen Sie mit Schwierigkeiten, wenn Sie ihre Forschungsergebnisse veröffentlichen?
Die NAK ist bestrebt alles zu ignorieren. Diffamierungen sind die einzigen Rückmeldungen auf solche Artikel. Wir lassen uns davon nicht beeinflussen.
Quelle: Die Kirche, Evangelische Wochenzeitung für Berlin, Brandenburg und die schlesische
Oberlausitz, 14.07.2004. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Autorin. nach oben
„Vom Segen gemeinsamer Arbeit“1 Neuapostolische Kirche (NAK) und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der damaligen DDR von Olaf Wieland
Quelle: BERLINER DIALOG • Schein und Sein • BD 31 • Allerheiligen 2014 • ISSN 0948-0390
Link: bd31_s03.pdf (religio.de)
Foto: Archiv Gesprächskreis "Toleranz im Glauben" Berlin/Hamburg
Dr. KLaus Gysi, der Vater von Gregor Gysi, bei einem Treffen mit führenden Vertretern der NAK am 11. April 1988 im Rosen-Salon des Palasthotels in Ostberlin. Von links: BezAp. Fritz Schröder (Ostberlin), Günter Behnke (Abteilungsleiter beim Staatssekretär für Kirchenfragen Dr. Gysi), BezAp. Fritz Nehrkorn (Sachsen/Thüringen), Stap. Richard Fehr (Schweiz), BezAp. Arno Steinweg (Niedersachsen/Westberlin), Dr. KLaus Gysi (Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR), Ap. Wilfried Klingler (Niedersachsen), Ap. Paul Hepp ( Baden-Württemberg, Bayern), BezAp. Wilhelm Pusch (Berlin-Brandenburg, Verbindungsmann zur DDR-Regierung), BezAp. Siegfried Karnick (Sachsen-Anhalt), BezAp Hermann Engelauf (Nordrhein-Westfalen), BezAp Willy Adam und IM "Willy" des MfS (Mecklenburg-Vorpommern), Bezirksältester Werner Simon (Ostberlin), Bischof Rüdiger Schönleiter (Ostberlin)
Von den Freikirchen sind verschiedene publizierte Selbstreflexionen über ihre Existenzbedingungen in der ehemaligen DDR bekannt.2Auch zur „Geschichte der Zeugen Jehovas“ in der DDR-Zeit sind inzwischen zahlreiche Arbeiten erschienen.3 Im Vergleich dazu ist die Neuapostolische Kirche mit ihren „über 120.000 Mitgliedern in ca. 1000 Gemeinden“4 und damit zahlenmäßig größte im Spektrum der kleinen Religionsgemeinschaften in der ehemaligen DDR5 „bis jetzt noch nicht genügend ins Blickfeld der Forschung gekommen.“ 6
Diese Tatsache wird damit begründet, dass die Neuapostolische Kirche „neben dem Verzicht auf massive öffentliche Kirchenkritik, auch durch ihre bewusste Ghettoexistenz und dem Vermeiden von allem, was auf besondere Weise auf sie aufmerksam machen könnte, kaum ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten“ sei.7 Aufgrund der zahlenmäßigen Stärke der NAK, ihrem „rapiden Mitgliederanstieg in der DDR“8 und „vermöge der Tatsache, dass ihre Mitgliederschaft zu einem großen Teil aus der Arbeiterschaft kam, dass dadurch eine nicht ganz kleine Anzahl Mitglieder in der SED waren“, war sie „für die Behörden ebenso interessant wie suspekt.“ 9 Neben der Parteizugehörigkeit neuapostolischer Mitglieder zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mit ihrem Bekenntnis zum Marxismus/Leninismus war beispielsweise „das politische Engagement eines neuapostolischen Gemeindeevangelisten als SED-Parteisekretär 10 oder die Funktion als Offizier bei der Militärstaatsanwaltschaft in Straußberg für die neuapostolische Kirchenführung kein Widerspruch in sich: „Nach einem von mir gehaltenen Vortrag vor Offizieren 1986 bekannte sich in einem persönlichen Gespräch über kirchenpolitische Entwicklungen in der DDR ein hoher Offizier sehr offen und selbstbewusst zu seinem neuapostolischen Glauben und erzählte, dass er gerne an seine Erlebnisse in der Kinder- und Jugendzeit innerhalb der NAK zurückdenke.“ 11
Blick zurück nicht notwendig?
Zwangsläufig wurde die Neuapostolische Kirche in der DDR mit dem Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) konfrontiert. Interessant ist die Frage, wie verhielt sich die „wiederaufgerichtete Kirche Christi nach dem Vorbild des ersten Christentums“ mit ihrer „entschiedenen Ablehnung anderer religiöser Lehrinhalte und des vertretenen Anspruchs, die einzig wahre Kirche zu sein“ 12 gegenüber dem repressiven Überwachungsorgan der DDR? Nach Aussage des damaligen Leiters der AG „Geschichte der Neuapostolischen Kirche“, Apostel Walter Drave aus Hamburg, wurde dieser Frage bisher nicht nachgegangen, da man sich als neuapostolische „Glaubensbrüder mit dem Wiederkommen des Herrn beschäftigte und ein Zurückblicken auf historische Tatsachen nicht notwendig“ 13wäre. Im Kontrast zu dieser Aussage sah es die neuapostolische Kirchenleitung dann doch als notwendig an, am 19.12.2000 einen verspäteten Antrag auf Akteneinsicht beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Ministeriums für Staatsicherheit der ehemaligen DDR (BStU) 14 zu stellen. Der damalige Stammapostel Dr. Wilhelm Leber bekräftigte dieses Vorgehen der AG „Geschichte der Neuapostolischen Kirche (GNK)“ zwischenzeitlich auf einem Informationsabend der NAK im Jahr 2007, indem er die Aufarbeitung der Geschichte der NAK im Nationalsozialismus – welche bisher auch erfolgreich verdrängt wurde – sowie „der Situation unserer Kirche in der ehemaligen DDR“ 15 in Aussicht stellte. Seit diesen Ankündigungen, Anträgen und Absichtserklärungen der neuapostolischen Kirchenleitung wird die Geschichtsaufarbeitung verschleppt und einer moralischen Einordnung der Ereignisse konsequent ausgewichen,16 denn das Ausmaß der „historisch belegbaren Kollaboration der NAK mit dem menschenverachtenden NSRegime“ 17 und der „unbegrenzte Opportunismus“ 18 der NAK in der DDR wird durch das Engagement unabhängiger Forscher 19 und deren Veröffentlichungen immer offensichtlicher. Das weiterhin elitäre Selbstbild der NAK im Sinne der Strukturen einer klassischen Sekte und ihr Auserwähltheitsanspruch 20 verhindert bisher eine Auseinandersetzung mit Schuld und dem konkreten eigenem Versagen.21 In der Neuapostolischen Kirche konnten die Staatsfunktionäre der DDR „ihren Traum von einer staatsbraven Kultkirche, die ihre Mitglieder zum Gebet und zum Gehorsam gegenüber dem Staat ermahnte“ 22 als verwirklicht ansehen. Der Staatssekretär für Kirchenfragen Dr. Klaus Gysi äußerte bei Treffen mit hochrangigen Vertretern der NAK 23, dass, „wenn er nicht schon weltanschaulich gebunden wäre“, für eine Mitgliedschaft seinerseits in einer religiösen Gemeinschaft „nur die Neuapostolische Kirche in Frage käme.“24
Apostel als „Inoffizielle Mitarbeiter“
Das Zusammenwirken neuapostolischer höherer Amtsträger mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR gestaltete sich harmonisch. Während beispielsweise von den zahlreichen neuapostolischen inoffiziellen Mitarbeitern (IMs) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), die auf freiwilliger Grundlage „nach Aktenlage und Verpflichtungserklärungen als Spitzel und geistliche Agenten der Geheimpolizei zuarbeiteten und Kircheninterna verrieten“ 25, der inoffizielle Mitarbeiter der Sicherheitsorgane Bezirksapostel Kurt Kortüm (IM „Kurt Sigmund“) aus Leipzig sich zur Informationsübermittlung – bei der er ausführlich antisemitische Klischees benutzte, Anklagen gegen die evangelische Kirche vorbrachte sowie den Grundwehrdienst in der DDR ohne Waffe als Bausoldat in der DDR abwertete – mit seinem Führungsoffizier in einer konspirativen Wohnung traf 26 , erfolgten die „Zusammenkünfte“ mit dem Bezirksältesten Gerhard Wolter aus Stralsund (IKMO 27 „Gerhard“) „immer im Dienstzimmer des IKMO bzw. in dessen Privatwohnung.“ 28
Der Bezirksapostel Willy Adam (IM „Willy“) sah sich verpflichtet, sogenannte „Hetzbriefe“29 sofort an die Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit zur Auswertung weiterzuleiten.30 Ein neuapostolischer Vorsteher (Gemeindeleiter) unter dem Decknamen IKMO „Hirte“ - eine Decknamenentschlüsselung wurde beantragt und eingeleitet – sprach sich im Gespräch mit seinem Führungsoffizier in unsolidarischer und unchristlicher Art und Weise für eine konsequente Verfolgung der in der DDR seit 1950 verbotenen Zeugen Jehovas aus. Infolge Anweisungen durch die neuapostolische Kirchenleitung kam es vor, dass Zeugen Jehovas, welche Gottesdienste der Neuapostolischen Kirche besuchten, „bei der Polizei denunziert wurden.“ 31 Die im Sinne der DDR-Staatsführung vorbildliche Neuapostolische Kirche diente im DDR-Strafvollzug „oft als Argument für Belehrungen von Strafgefangenen, wie man sich als sozialistische Staatsbürger zu verhalten hätte: 32 „Während meiner Haftzeit beim MfS (1984/85, § 220) kam unterschwellig von Seiten des Vernehmers zum Ausdruck, dass gerade die ‘kleinen Kirchen’ und, Sie entschuldigen bitte den Ausdruck die ‘Sekten’, doch vielmehr zu dem DDR-Staat standen als die evangelische Kirche. So z.B. wurde mir gesagt, dass es innerhalb der NAK keine Leute gab, die den Wehrdienst total verweigerten. Außerdem, so erfuhr ich in der Stasi-Untersuchungshaft in Frankfurt, ‘hätten neuapostolische Christen doch wenigstens die Jugendweihe erhalten’.33
Bezirksapostel Wilhelm Pusch als ein „im Auftrag des MfS“ 34 reisender Begünstigter des Ministeriums für Staatssicherheit und ehemaliger Angehöriger der Deutschen Volkspolizei, welcher „gelegentlich auch Kontakte zu dem langjährigen Leiter des Ministeriums für Staatssicherheit Erich Mielke unterhielt“ 35, hatte das Privileg, ohne Kontrolle die Grenzübergänge in Berlin zu passieren, beispielsweise für die Einfuhr von „Ersatzteilen für seinen Mercedes“. Nach Aussage des ehemaligen Leiters der Evangelischen Allianz Berlin 36 ist die Mitgliedschaft von Heinz Mielke, dem Bruder des Ministers für Staatssicherheit der DDR Erich Mielke, zum neuapostolischen Glauben belegt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die neuapostolischen Gemeindemitglieder ihre Missionsarbeit vorwiegend im Bekannten- und Familienkreis praktizieren. Der Apostel Q. aus Sachsen galt als „sozialistischer Leiter“. Lob bekam er für seine „Funktion als Kommandeur einer ZV-Führungsgruppe“, welcher er „voll gerecht (Stärke: 10 Mann)“ 37 wurde. Im Jahr „1988 erklärte er sich noch gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit bereit, Kirchenmitglieder von etwaigen Plänen zur Republikflucht abzubringen.“ 38 Die Verbindung zur Staatssicherheit nutzte man aber auch zielgerichtet, um persönliche Vorteile und Vergünstigungen für sich oder die Gemeinde zu erlangen, wie Reisen in die BRD und Beschaffung von PKWs westlicher Fabrikation. Viele neuapostolische Amtsträger ließen sich vereinnahmen, indem sie regelmäßige Angebote für „dreiwöchige Erholungsaufenthalte“ in den Gästehäusern des Staatssekretärs für Kirchenfragen in Anspruch nahmen. Mit diesen Erholungsaufenthalten sollte die Arbeit der „fortschrittlichen und loyalen Geistlichen“ 39 in der DDR gewürdigt werden. Der Bezirksälteste Gerhard Wolter als inoffizieller kriminalpolizeilicher Mitarbeiter für operative Aufgaben (IKMO „Gerhard“) wurde jährlich mit einer Urlaubsreise in ein Gästehaus des Staatssekretärs für Kirchenfragen ausgezeichnet. Auf der Grundlage dieser Zusammenarbeit konnte sich die NAK über ihren Verbindungsmann zur DDR-Regierung Bezirksapostel Wilhelm Pusch mit folgenden Worten selbst empfehlen: „Unsere Regierung hatte nie Schwierigkeiten mit der Neuapostolischen Kirche, sondern gerade in heutiger Zeit eine nötige Ruhe- und Friedensbasis.“ 40
Stasi baut Kirche für die NAK
Foto: Archiv Gesprächskreis "Toleranz im Glauben" Berlin/Hamburg
Auch der Bau einer repräsentativen neuen Kirche (Kapazität: 2500 Plätze) 1978/79 mit Hilfe des Wachregiments „Feliks Dzierzynski“ 41 in der Münsterlandstraße / Ecke Wönnichstraße 42 unter Ausstattung mit modernster westlicher Ton- und Übertragungstechnik (Einfuhr genehmigt von der DDR-Regierung) kann in diesem Zusammenhang gesehen werden, „so dass Bezirksapostel (seit 1976) Pusch in einem Schreiben anlässlich des 30. Jahrestages der DDR am 2.10.1979 die Großzügigkeit des Baues rühmen und als ‘Zeichen des Verständnisses unserer Regierung für die Belange kirchlicher Einrichtungen’ werten konnte.“ 43 Die Errichtung dieses neuen Kirchengebäudes wurde notwendig, weil sich die NAK in der Normannenstraße 20 ca. 10 Meter neben dem Dienstgebäude des Ministeriums für Staatssicherheit befand, so dass eine übersichtliche Einsichtnahme durch die Neuapostolische Kirche in das MfS-Dienstgebäude und den Eingängen jederzeit möglich war. „Aus Sicherheitsgründen“ strebte das MfS darum eine Verlagerung der NAK an, welche dann „durch größtmöglichstes Entgegenkommen der DDR-Regierung“44 mit dem Ersatzbau einer Neuapostolischen Kirche in der Münsterlandstraße / Ecke Wönnichstraße realisiert wurde.45 In internen Schreiben der leitenden Verantwortlichen des MfS und Vertretern der DDR-Regierung wurde angewiesen, das die Verlagerung der NAK bei Nachfragen mit dem Argument „aus Bebauungsgründen“ und nicht „aus Sicherheitsgründen“ 46 erklärt werden sollte. Schon vor dem Bau der Mauer am 13.8.1961 waren dem Ministerium für Staatssicherheit die regelmäßigen Zusammenkünfte der neuapostolischen Gemeindemitglieder in der Normannenstraße, welche zum größten Teil aus Westberlin mit ihren modernen PKWs monatlich im Wechsel zum sogenannten Schulchorsingen 47 anreisten, ein ständiger Störfaktor. Die in der Umgebung der Normannenstraße wohnende Berliner Bevölkerung vermutete hinter diesen Zusammenkünften die Tätigkeit einer „amerikanischen Sekte“.
Foto: Archiv Gesprächskreis "Toleranz im Glauben" Berlin/Hamburg
Trotz der perfekt anmutenden Anpassungsleistung der Neuapostolischen Kirche in der DDR bleibt ein starkes Unbehagen, denn selbst neuapostolische Glaubensgeschwister, welche mit dem damaligen DDR-Staat in Konflikt kamen, konnten auf kein Verständnis von ihrer Kirche hoffen: „Aufgrund von Aussagen vom Hörensagen darf wohl davon ausgegangen werden, dass neuapostolische Christen von dem Ministerium für Staatssicherheit für eine Bespitzelung von Glaubensgeschwistern in den Gemeinden gewonnen wurden, darunter auch ehrenamtlich arbeitende Seelsorger. Glaubensgeschwister, die von den Behörden aufgrund eines durch Bespitzelung ermittelten Fehlverhaltens nach dortigem Recht (z.B. Fluchtversuch) zur Rechenschaft gezogen und mit Freiheitsstrafe belegt wurden, haben in der Haft schlimmste psychische und sexuelle Gewalt aushalten müssen.
Doch die Sanktionen durch die Gemeindeleitung nach Entlassung aus dem Gefängnis haben die Betroffenen als wesentlich gravierender, belastender, traumatisierender erlebt. So wurden Betroffene beispielsweise von der Abendmahlfeier ausgeschlossen und per Anordnung dazu gezwungen, erst nach Gottesdienstbeginn entweder auf der Empore oder in einem abgeteilten Raum den Gottesdienst zu erleben und vor dem Ende das Kirchengebäude zu verlassen. Und das über Monate! Als kaum aushaltbar wurde das Schweigen, das Ausgegrenztwerden, das Nichtbeachtetwerden beschrieben.“ 48 Ein von diesen Sanktionen und von Diskriminierung durch die neuapostolische Kirchenleitung Betroffener wandte sich mit einem Schreiben an den heutigen Stammapostel Jean-Luc Schneider u.a. mit folgenden Ausführungen: „Während ich zur Willkür des DDRMachtapparates nicht schwieg und als Christ widerständig handelte, verrieten Amtsträger der NAK die eigenen Geschwister.“
„Während ich überlebte und 1971 von der deutschen Regierung freigekauft wurde, beleidigte mich der damalige ‘Bezirksapostel’ Arno Steinweg, stellvertretend für alle in politischer Haft in der DDR befindlichen Opfer der Gewaltherrschaft, als ‘Krimineller’, ohne sich dafür je entschuldigt zu haben.“ 49
Warten auf Antworten
Der Stammapostel der Neuapostolischen Kirche Jean-Luc Schneider reagierte nach längerer Zeit auf dieses Schreiben, indem er den Fragen auswich, den Sachverhalt verharmloste und darauf verwies, man befände sich noch im Stadium der Bemühungen in der Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Ein nachfolgender Offener Brief des Gesprächskreises „Toleranz im Glauben“ Berlin/Hamburg mit erneuter Forderung nach einer konkreten Beantwortung von Fragen zur Thematik „NAK in der DDR“ vom 20.9.2013 blieb unbeantwortet.50 Entgegen der Verharmlosung führte die 1960 in Stralsund geborene Kerstin Kaiser 51 über ihre Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst aus:
„Ich kann sagen: Ich wollte niemanden denunzieren. Nie. Und ich muss aus heutiger Sicht sagen: In dem Moment, da man sich bereiterklärt, Gespräche mit einem Geheimdienst zu führen, nutzt dieses Wollen nichts mehr. Es liegt nicht mehr in der eigenen Hand, ob man jemanden denunziert oder nicht. Einfach deshalb nicht, weil es nicht in der eigenen Hand liegt, was mit den gegebenen Informationen getan wird. Die beste Absicht kann die schlimmsten Folgen haben, denn die Folgen bestimmt der Geheimdienst, nicht die Informantin.“ 52
Der derzeit amtierende und durch ein Anschreiben vom 10.2.2014 53 mit der Problematik konfrontierte Kirchenpräsident /Bezirksapostel der Gebietskirche BerlinBrandenburg K.d.ö.R. (Körperschaft des öffentlichen Rechts) Wolfgang Nadolny verweigerte in seinem Antwortschreiben vom 24.2.2014 eine Stellungnahme zur Tätigkeit hochrangiger Vertreter der Neuapostolischen Kirche als inoffizielle Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR. Auf die Neuapostolische Kirche in der DDR mit ihrem praktizierten vorauseilendem Gehorsam und „unbegrenzten Opportunismus“54 treffen die Ausführungen der Schriftstellerin Salomea Genin im besonderem Maße zu: „Einst hatte ich hauptsächlich vor brutalen Nazis Angst. In der DDR lernte ich, dass die weit gefährlicheren Menschen Opportunisten und Anpasser sind, die das Funktionieren von Diktaturen erst ermöglichen und dann hinterher sich oft zu ihren Opfern erklären.“ 55
Aufgabe
Die Neuapostolische Kirche als K.d.ö.R56 ist aufgerufen, die zentralen Themen des christlichen Glaubens der Auseinandersetzung mit Schuld und Versagen aus dem Geist der Versöhnung heraus in den öffentlichen Diskurs einzubringen und 25 Jahre nach dem Fall der Mauer ihren lange schon fälligen Beitrag zur gesellschaftlichen Verantwortung der Theologie zu leisten sowie selbstkritisch in diesem Kontext zu bekennen, dass sie „aus pragmatischen Erwägungen und in weltabgewandter Frömmigkeit der Versuchung zur Anpassung oft erlegen war.“ 57
Quellenangaben zum Artikel „Vom Segen gemeinsamerArbeit“
Offener Brief an den Bezirksapostel i. R. Willy Adam Neuapostolische Kirche Mecklenburg 20. August 2004
(Quelle im Netz Adam-Unterstuetzung-des-Herrschaftsapparates-der-SED-als-inoffizieller-Mitarbeiter-IM.pdf (nak-info.de) )
Von: Gesprächskreis „Toleranz im Glauben“ Kritiker und Aussteiger der Neuapostolischen Kirche, KISS Hamburg Wandsbeker Chaussee 8, 22089 Hamburg
Betr.: Unterstützung des Herrschaftsapparates der SED als inoffizieller Mitarbeiter ( IM )
[…] Der seit seiner Amtseinsetzung am 31. Dezember 1958 amtierende Apostel Kurt Kortüm hat den Sicherheitsorganen des SED – Herrschaftsapparates über eine freiwillige Verpflichtungserklärung jahrelang und intensiv als IM „Kurt Sigmund“ zugearbeitet und dabei Interna der NAK preisgegeben. Er traf sich konspirativ mit einem Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit und nahm dabei wissentlich durch das MfS vermittelte persönliche Vergünstigungen an. Regelmäßige Treffen mit den Sicherheitsorganen in konspirativen Wohnungen ( TQ ) wurden durch den IM Apostel „Kurt Sigmund“ ausdrücklich als eine sehr gute Lösung angesehen. Diese Einstellung kann man nicht als kritisch distanzierte Staatsloyalität unter Bewahrung christlicher Identität bezeichnen noch mit dem Obrigkeitskapitel aus der Bibel legitimieren.[…]
Im Zusammenhang mit der belohnten Spitzeltätigkeit hoher neuapostolischer Amtsträger für eine weltliche Diktatur wurden Sie parallel zum IM „Kurt Sigmund“ der Öffentlichkeit als IM „Willy“ bekannt, der für sein positives d. h. erfolgreiches Zutragen von Informationen als damaliger Bischof – dem Mutteramt der NAK – in regelmäßigen Abständen mit Sach- und Geldprämien motiviert wurde, die Sie ausnahmslos annahmen. Entsprechende Quittungen für finanzielle Zuwendungen für den IM „Willy“ >>in Würdigung seiner gezeigten Leistungen<
An den Bezirksapostel Tiedt der NAK Mecklenburg gerichtete kritische Briefe übersandten Sie sofort den Sicherheitsorganen , die dann bei der Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit in Schwerin, Demmlerplatz beim Genossen Köhn ausgewertet wurden ( s. Schreiben vom 28. 04. 1969 ). Hier bleibt zu überprüfen, in welchem Ausmaß die Personen durch Ihr denunzierendes Verhalten der Verfolgung ausgesetzt wurden und Schaden erlitten haben.
Ihr überdurchschnittliches konkludentes Verhalten, ihre Servilität und der vorauseilende Gehorsam unter Mißachtung von Apg. 5, 29 gegenüber den Machthabern der DDR - nicht in kritischer und distanzierter Haltung unter Bewahrung christlicher Identität, sondern als inoffizieller Mitarbeiter der Sicherheitsorgane und Diener zweier Herren - ist in Stasiunterlagen dokumentiert. Als Prinzip der Sicherheitsorgane bei der Arbeit mit ihren inoffiziellen Mitarbeitern, den sogenannten „Hauptkräften im Kampf gegen den Feind“, galt: Der IM bestimmt den Zeitpunkt des Treffs selbst.
Sie erfüllten die Erwartungen der Sicherheitsorgane peinlichst genau auf freiwilliger Grundlage. Das belegt folgender Brief an den Leutnant Schultze vom 29. 01. 1969 sowie ein Treffbericht vom 30. 05. 1969:
>Lieber Herr Schulze! Anliegend überreiche ich einen Antrag für Herrn ....... mit der Bitte um Genehmigung. Gleichzeitig möchte ich zurückkommend auf unser kürzliches gehabtes Gespräch anfragen, ob es Ihnen gelegen ist, wenn wir uns am Freitag den 7. Februar 1969 nachmittags gegen 14.00 Uhr über das angeschnittene Thema unterhalten können. Dieses ist selbstverständlich nur ein Vorschlag von mir. Falls es Ihnen zu einem anderen Zeitpunkt besser passen sollte, werde ich bemüht sein, mich danach zu richten. Im übrigen hoffe ich, daß es Ihnen gut geht und verbleibe in der Erwartung Ihrer Nachricht Mit freundlichen Grüßen Ihr W. Adam
>>Treffbericht Am 30. 05. 69 um 14.30 Uhr erfolgte durch den Unterzeichner der geplante Treff mit dem IM - „Willy“ in dessen Diensträume in Schwerin Bäckerstr. 07. Der IM war auf diesen Treff vorbereitet. Sein Verhalten war ruhig und ausgeglichen. (.... ) Abschließend brachte der IM dann noch zum Ausdruck, daß er, wenn er in Schwerin zu tun hat, und das wird des öfteren sein, beim Unterzeichner vorsprechen wird um so die Kontakte weiter aufrecht zu erhalten. Hiermit wurde der Treff beendet.<<
Verwerflich und entgegen jeder christlichen Ethik gaben Sie in einem Gespräch mit den Sicherheitsorganen der DDR in den Diensträumen der Neuapostolischen Kirche Schwerin Bäckerstraße 07 am 30. 05. 1969 ( im Treffbericht dokumentiert ) negative Hinweise und Auskünfte über eine Glaubensschwester und ihr Privatleben , ohne dazu befragt worden zu sein und machten sich damit einer vorsätzlichen Denunziation schuldig . Die negativen Ausführungen waren derart gestaltet, das die Glaubensschwester in die Nähe eines asozialen Verhaltens gerückt wurde, was in der Ulbricht – Ära harte Bestrafung nach sich zog. Motiv der Denunziation war Ihre Verärgerung über einen unregelmäßigen Gottesdienstbesuch der Glaubensschwester, was als schwere Sünde und heute immer noch im Katechismus der NAK als Sünde angeprangert wird.
Auch hier bleibt zu überprüfen, in welchem Maß die betroffene Glaubensschwester durch Ihr unchristliches Verhalten Schaden ( soziale Ausgrenzung, Demütigung, Verhöre , Haft ) erlitten hat. Für eine eventuelle Rehabilitierung wäre dann die NAK zuständig. Die Mitgliedschaft von Amtsträgern der NAK in der SED mit ihrem Bekenntnis zum Atheismus war eigenartigerweise kein Widerspruch für Sie. Die Mitglieder des Gesprächskreises „Toleranz im Glauben“ Hamburg fragen :
Gehörten Sie als IM „Willy“ und späterer Bezirksapostel der NAK Mecklenburg der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an, ähnlich Ihrem Vorgänger Bezirksapostel Tiedt, der bereits unter einer anderen Diktatur am 01. Mai 1937 durch seinen Eintritt in die NSDAP Parteigenosse wurde ? Im NS - Staat brachten Sie es bis zum Dienstgrad eines Feldwebels. War damit eine Mitgliedschaft in der NSDAP zwangsläufig ?
Der Gesprächskreis „Toleranz im Glauben“ fordert Sie auf, Stellung zu nehmen auf diesen offenen Brief. […] Wir geben zu bedenken, daß bei Ihrer Stellungnahme undifferenzierte Rechtfertigungen uns, den Opfern der DDR – Staatsgewalt und hauptsächlich der NAK in ihrem Öffnungsprozess nicht weiterhelfen. Selbstgerechtes Schweigen ist auch keine Lösung. Im Gegenteil. Mit jedem Tag Ihres Schweigens sinkt die Glaubwürdigkeit der NAK. Die Aufarbeitung und die damit verbundenen Auseinandersetzungen sind notwendig und unvermeidlich. […]
Gesprächskreis „Toleranz im Glauben“ Hamburg
Für das Forscherteam Olaf Wieland / Sergio Cuscito
Anmerkungen 2021
NAK-Mecklenburg
- Willy Adam :03. April 1960 Bischof; 20. März 1977 Apostel; 07. September 1980 Bezirksapostel; 16. Januar 1994 Ruhestand
- Herbert Tiedt: 03. Juni 1951 Apostel; 01. Januar 1957 Bezirksapostel ; 07. September 1980 Ruhesetzung
24.4.2021 BezAp Kurt Kortüm war Inoffizieller Mitarbeiter (IM Deckname „Kurt Sigmund“) für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) - Ein Geheimer Bericht über seine Anwerbung durch die DDR-Sicherheitsorgane
Kortüm (* 25.05.1912 in Berlin; † 16.11.1979) war von 1967 bis 1974 Bezirksapostel für die Neuapostolische Kirche Sachsen/Thüringen, angeworben mit 59 Jahren vom MfS im Jahr 1971
Zitat : "Kortüm versicherte, über Begegnungen dieser Art und dem dabei Besprochenen gegenüber Jedermann zu schweigen, da er sich immerhin bewußt sei, daß er ansonsten innerhalb seiner Kirche alles Vertrauen verlieren und sich unmöglich machen würde."
Abschrift: Geheimer Bericht des MfS (Hervorhebungen nicht im Original):
- Kriminalpolizei - Leipzig, den 07.09.71
K/I
Bericht
über die durchgeführte Werbung
Entsprechend meines Werbevorschlages vom 10.06.71 kam es am 07.09.71 in der Zeit von 10.00 bis 11.50 Uhr zu einer weiteren Zusammenkunft mit dem Kandidaten im Besucherzimmer. Er berichtete auf der Grundlage des bestehenden Kontaktes über eine am 05.08.71 in Berlin, Dunkerstraße (Gemeinde der NAK) stattgefundene, nicht gemeldete Veranstaltung mit der Teilnahme des Apostel (xxx) aus Kanada. Er hob hervor, daß diese Veranstaltung nicht nach außen bekannt werden sollte, weshalb er um besondere Diskretion dieser Angelegenheit bat, die ihm auch zugesichert wurde.
Auf Grund der geschaffenen Vertrauensbasis wurde mit der Werbung begonnen und an den Kandidaten die Frage gestellt, ob er sich bereit erklärt, in einer ständigen Zusammenarbeit mit mir solche Dinge zu besprechen und auszuwerten. Es wurde ihm erklärt, daß es dabei grundsätzlich darauf ankommt, in einem Vertrauensverhältnis, das nur uns beide einbezieht solche Absprachen zu führen, die einem Informationsaustausch dienen, die im staatlichen Interesse sind und letztendlich auch der Kirche dienen. Dabei wurde bemerkt, daß die Mitglieder seiner Kirche Staatsbürger der DDR sind und letztendlich in dieser Richtung wirken.
Der Kandidat stellte darauf die Frage, wieso und warum ich ausgerechnet auf ihn gestoßen bin und ich mir für eine solche Zusammenarbeit nicht einen anderen Amtsträger gesucht habe.
Ihm wurde hierauf erklärt, daß er in seiner Funktion als Apostel über den gesamten Bereich des Apostelbezirkes Entscheidungsbefugnisse hat, er an zentralen Treffen teilnimmt, womit er über alle Vorkommnisse und Geschehen einmal innerhalb des ihm unterstehenden Territoriums informiert ist und andererseits er auch als erster über Beschlüsse und Weisungen informiert ist, die ihm von der Kirchenführung in Westdeutschland zukommen.Er selbst auch habe dann noch Möglichkeiten, in einer Zusammenarbeit mit mir darüber zu beraten, wie diese am besten, zum Wohle des Staates und seiner Kirche durchgesetzt werden können. Um also einen effektiven Austausch von Informationen zu gewährleisten, sei nur er in seiner Person und Funktion in der Lage.
Diese Offenheit beeindruckte ihn und er war in gewisser Beziehung darüber erfreut, daß ihm so viel Offenheit und Ehrlichkeit entgegengebracht wurde, worin er auch Vertrauen sieht.
Er führte dazu aus, daß Vertrauen zwischen Menschen sehr viel ausmachen kann, er in seiner Funktion jedoch hin und wieder erleben muß, wie das Vertrauen mißbraucht wird. So berichtete er darüber, daß in der letzten Zeit in Erscheinung trat, daß Mitglieder, die relativ kurze Zeit in der Gemeinde seiner Kirche als Mitglieder wirken, straffällig wurden. Erst in den letzten Tagen ist ihm wieder ein solches Beispiel aus der Gemeinde Plagwitz bekannt geworden, wo sich ein junger Mann, der erst durch Eheschließung mit einer Neuapostolischen in die Gemeinde aufgenommen wurde, sich sexuell an einer Jugendlichen vergangen hat.
Um dem Kandidaten zu beweisen, daß die Zusammenarbeit im staatlichen sowie auch im Interesse seiner Kirche zum tragen kommen soll, bot ich ihm an, Überprüfungen solcher Personen übernehmen zu wollen, die Antrag auf Aufnahme in seine Kirche stellen, damit er künftig keine Vorbestraften oder anderweitig labile bzw. negative Leute in die Gemeinden bekommt, die einen negativen Einfluß ausüben können. Der Kandidat bedankte sich dafür und gab an, daß er im entscheidenden Moment auf dieses Angebot von mir eingehen würde.
Ich selbst würde dadurch erreichen, Zugänge zur NAK in den einzelnen Gemeinden unter Kontrolle zu bekommen und wenn erforderlich, für uns geeignete Personen an der unteren Ebene so einzuschleusen, daß sie Vertrauen gewinnen und innerhalb der Kirche Entwicklungsmöglichkeiten haben.
Im Werbegespräch zeigte sich, daß der Kandidat einer Zusammenarbeit mit mir positiv gegenübersteht, zumal über solche Begegnungen keine Veröffentlichungen erfolgen und sie nur unter vier Augen erfolgen. Er bekräftigte dabei wiederholt, daß er Begegnungen beim Staatsapparat nicht so sehr wünscht.
Auf die konkrete Frage, ob er einer Zusammenarbeit mit mir zustimmt, sagte er, daß er keine Gründe hätte diese abzulehnen. Er erklärte, daß er sieht in mir einen sachlichen Partner zu haben und er sich gern in sachlichen Gesprächen mir anvertraut, auch wenn es dabei um Sachen geht, die innerhalb seiner Kirche internen Charakter tragen.
Die Vertraulichkeit der Zusammenarbeit, die bei der ersten Begegnung mit ihm bereits herausgearbeitet wurde, wurde nochmals bewußt und deutlich an den Kandidaten herangetragen.
Er versicherte, über Begegnungen dieser Art und dem dabei Besprochenen gegenüber Jedermann zu schweigen, da er sich immerhin bewußt sei, daß er ansonsten innerhalb seiner Kirche alles Vertrauen verlieren und sich unmöglich machen würde.
Mehr als Frage bedacht, bezeichnete er es wohl als eine Seltenheit, daß sich ein Funktionär der NAK in seinem Amte zu einer solchen Zusammenarbeit bereiterklärt. Ich sagte ihm daraufhin, daß diese Feststellung von ihm sicher zutrifft und ich das auch zu würdigen weiß und alles dazu beitragen will, das bestehende Verhältnis zwischen uns zu wahren, indem ich auch ihm bei der Klärung von für ihn schwierige Prozesse, behilflich sein will.
Festzustellen war, daß es der Kandidat wie einen Mißtrauensantrag aufnahm, als ich ihn fragte, ob er auch schriftlich bereit sei zu geloben, nicht über die Zusammenarbeit mit mir als einen Vertreter der Sicherheitsorgane, gegenüber anderen Personen zu sprechen.
So stellte er die Frage, ob mir sein Wort als ein so hoher Amtsträger nicht genüge, zumal er in seiner Stellung wirklich zu keiner schriftlichen Erklärung bereit sei – jedenfalls zur Zeit nicht. Er erklärte mündlich, daß er dazu bereit ist, alle mich interessierenden Fragen mit mir zu besprechen und sich über solche Dinge ehrlich zu informieren, die ich für erforderlich erachte.
Über Zusammentreffen mit Amtsträgern im Territorium der DDR sowie über Begegnungen mit dem Stammapostel oder anderen Aposteln des Auslandes, ist er bereit zu berichten.
Da ich das bestehende Vertrauensverhältnis nicht beeinträchtigen wollte, erfolgte eine Verpflichtung mit Händedruck, wobei er mir in die Hand versprach, immer offen und ehrlich über mich interessierende Probleme zu sprechen und zu berichten. Daß er über diese Zusammenarbeit mit niemanden spricht, wurde in diesem Händedruck einbezogen.
Der IM wird von mir unter den Decknamen „Kurt Sigmund“ geführt. Beim nächsten Treff erfolgt seine Einführung in das Treffquartier „Roß“. Im Gespräch wurde herausgearbeitet, daß dieser Einführung nichts im Wege steht, weil in der unmittelbaren Umgebung keine Mitglieder seiner Kirche wohnhaft sind. Bei der gesamten Werbung verhielt sich der IM ruhig und sachlich. Das zeigt seinen ausgewogenen und gefestigten Charakter; er steht zu dem Wort, was er sagt.
Mit dieser Werbung wurde erreicht, daß Informationen aus dem gesamten Bereich des Apostelbezirkes (Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Dresden, Erfurt, Gera, Suhl und zum Teil Halle) erarbeitet werden können und solche aus zentralen Tagungen u.a. Zusammenkünften erreichbar sind.
Der nächste Treff mit „Kurt Sigmund“ kann erst im Oktober erfolgen, da er verschiedene Gemeinde des Apostelbezirkes bereist und Ende September/Anfang Oktober ein Treffen der Apostel der DDR bei Apostel Oberländer (Apostelbezirk Halberstadt/Quedlinburg) stattfindet. Darüber wird er beim nächsten Treff berichten.
Auf Grund der Stellung des IM wurde auf die Fertigung eines Lebenslaufes verzichtet. Zur Person diesbezügliche Aussagen ergeben sich aus den Ermittlungsprotokollen und den Vorschlag über die Anwerbung.
Leubner
Ultn.d.K.
(Quelle: MfS BV Leipzig 1753/85)
3.5.2021 Bericht vom Bezirksältesten Werner Pflugmacher (Mecklenburg), der als IM "Jünger" von seiner Reise zu den Verwandten aus der BRD seinem Führungsoffizier berichtete. (1983)
Zur Person: "Pflugmacher stammt aus einer Arbeiterfamilie und wurde im Sinne der Neuapostolischen Kirche erzogen (...). Er ist als Bezirksältester nur dem Bezirksapostel und seinem Stellvertreter unterstellt. Er selbst betreut in den Kreisen Neubrandenburg und Neustrelitz 8 NAK Gemeinden, wobei von ihm eine Zahl von ca. 1000 Gläubigen angegeben wird.(zitiert aus: Hptm. d. K. Dirner / Hptm. d. K. Meyrich: Vorschlag zur Werbung eines IM, BDVP Neubrandenburg, Abt. K, Dezernat I, Neubrandenburg, den 25.05.1978, in: BV Nbg AKAG 215/88, Bl. 27.
Anmerkung DS: An diesem Bericht sind zwei Dinge bemerkenswert: Erstens der unglaublich schlechte Schreibstil (der auf ein mehr als einfaches Gemüt schließen lässt) und zweitens die simplifizierende und äußerst banale und dichotome Darstellung der politischen Lebensverhältnisse im „imperialistischen“ und "dekadenten" Westen. Fraglich ist, wem solche Darstellungen etwas nützten. Vermutlich dienten sie der Selbstbestätigung, im Systemvergleich BRD-DDR die Errungenschaften des real existierenden Sozialismus als bedeutend besser zu bewerten. Finanzielle Not litt allerdings in der DDR niemand, Wohnraum, der staatlich zugewiesen wurde, war aber auch knapp. Man mag sich nicht vorstellen, was dieser neuapostolische Bezirksälteste seinen 1000 Gläubigen so predigte, und auch, welche Informationen er missbräuchlich weitergab (siehe nächster Bericht), die er in eigentlich absolut vertraulichen Familienbesuchen gehört oder in Gesprächen mit Amtsträgern auch einfach nur mitbekommen hatte…
Pflugmacher starb 2012 im Alter von 96 Jahren.
Nbg. den 25. 04. 83
Bericht
(mündlich)
Im April 1983 führ ich zur Goldenen Hochzeit meiner Verwandten in die BRD. Es war die erste Reise nach dort. Insgesamt konnte dabei festgestellt werden, daß dort von den Verwandten ein bedeutend härterer Existenzkampf geführt werden muß und man mit vielen Sachen konfrontiert wird, die man hier nicht kennt.
Gleich bei der Ankunft in Niederkirchen (BRD) wurden bereits im und am Bahnhof einzelne jüngere Personen bemerkt, die durch ihren unnatürlichen Haarschnitt und -farbe sowie Kleidung auffielen. Von den Verwandten wurden sie „Punker“ genannt. Es wäre gut mit diesen keine nähere Bekanntschaft zu machen, da sie sehr rauflustig wären.
Die Anmeldung erfolgte bei einer städtischen Behörde. Auf einen Quittungsblock wurden meine Personalien vermerkt und durch meine Unterschrift darauf erhielt ich 30, DM in Gutschein ausgehändigt, die dann in der Sparkasse in Bargeld umgetauscht wurden.
Innerhalb der Verwandtschaft, die ja zum ersten Mal besucht wurden, mußten viele Fragen beantwortet werden. Es mußte dabei die Feststellung getroffen werden, daß sie eine falsche Meinung über die Situation in der DDR und vor allen von den „Russen“ hatten. Sie fühlen sich durch die Russen bedroht, was in den Massenmedien auch in vielseitiger Form zum Ausdruck kommt. Da alle Verwandten Neuapostolisch sind, wurden viele Fragen zur Durchführung des Gottesdienstes gestellt, die alle wahrheitsgemäß beantwortet wurden.
In Bezug des Lebensstandards in der BRD ist zu sagen, daß man alles kaufen kann, aber auch alles sehr teuer ist. So ist es üblich erst in der Zeitung sich über die Preise zu informieren, um dann dort zu kaufen wo es am billigsten ist. Es ist zu verzeichnen, daß sie trotz guter Gehälter sich nicht alles kaufen können, was sie gern hätten. Ein Verwandter ist sogar aus seiner alten Wohnung ausgezogen, da die Miete immer höher geschraubt wurde und zuletzt bei 800,-DM angelangt war. In der jetzigen Wohnung, ohne besonderen Komfort muß er 450,-DM bezahlen.
Ein anderer Verwandter hat für 150.000,-DM eine Wohnung auf Lebzeiten gekauft, die sich aber in einem Wohnhaus befindet und praktisch als Mieter lebt. Er muß aber in monatlichen Raten den Bankkredit und den Anteil der Zinsen zurückzahlen, was ca. 200,-DM ausmacht. Es wurde kaum geglaubt, daß ich für eine 4 Raum Wohnung (Altbau, Ofenheizung) nur 60,-Mark Miete bezahlen muß. Die Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sind sehr teuer. Von einem zum anderen Ende der Stadt muß man 5,-DM bezahlen, was bei uns 25 Pfennig kostet.
In den Zeitungen steht oftmals über „Fluchthelfer.“ Dort wird mit sensationeller Aufmachung geschildert, wie Menschen aus der DDR in die BRD, „westliche Freiheit“ genannt, gekommen sind.
Besonders ist in der BRD ein gewisses Geltungsbedürfnis vorhanden, was auch bei den Verwandten festgestellt werden konnte. So hat ein Verwandter nur wegen den Nachbarsleuten 2 PKW. Er fährt einen Citroen und seine Frau einen Peugeot. Beide gönnen sich kaum größere Reisen, nur, daß sie sich 2 Wagen leisten können.
Viel wurde über die Arbeitslosigkeit und Lehrstellen für die Jugend diskutiert. Kranksein kann man sich nicht leisten, da der Betreffende um seinen Job fürchtet. Eine Verwandte wurde nur in das Krankenhaus aufgenommen, weil die Kirche die Bezahlung übernahm. Sie selbst konnte die Krankenhauskosten nicht bezahlen. Eine Tochter des Verwandten hat nur durch gute Beziehung eine Lehrstelle als Sprechstundenhilfe bei einer Ärztin bekommen. Aber sie muß bereits noch in der Schulzeit jeden Freitagnachmittag dorthin, um sich einzuarbeiten und vor allen wissen, daß sie geeignet ist. Zu politischen Problemen wurde kaum etwas gesagt. Die Mehrzahl der Verwandten sind Neuapostolisch. Aber dort geht man nicht zur Kirche, sondern man fährt zum Gottesdienst. Es werden überall dementsprechende Parkplätze geschaffen.
Es war aber die Meinung vorherrschend, daß die neue Regierung Kohl die Schrauben noch sträffer anziehen wird und noch mehr Steuern bezahlt werden müssen. Ein einheitliches Deutschland nach ihrem Muster ist wieder neu belebt worden. Über die Grünen kann man sich kein richtiges Bild machen. Ihr Verhalten im Bundestag wurde von den BRD Bürgern nicht gebilligt.
gez. Jünger
Quelle: BV Nbg AKAG 215/88, Bl. 110, 111.
5.5.2021 Bezirksältester Werner Pflugmacher(IM "Jünger") bricht das Beichtgeheimnis und wünscht ein Eingreifen der DDR-Sicherheitsorgane in einer persönlichen Angelegenheit bei einer neuapostolischen Familie (1979)
(Hervorhebungen nicht im Original)
Neustrelitz, den 25.09.79
Bericht
(mündlich)
Innerhalb der Neuapostolischen Kirche wird kein Erntedankgottesdienst gefeiert, wie es in den anderen Kirchen der Fall ist. Sie danken jeden Tag den Herrn Jesus in den Tischgebeten für seine Gaben und halten deswegen es nicht für notwendig einen gesonderten Gottesdienst durchzuführen. In der Vergangenheit hat es auch in der Neuapostolischen Kirche Erntedankgottesdienste gegeben, aber dieses ist schon Jahrzehnte her.
Zum 30. Jahrestag der DDR wird kein gesonderter Gottesdienst durchgeführt. Es ist auch von Bezirksapostel Tiedt aus Schwerin keine Anregung dazu eingegangen. Auch in diesem Falle wird jeder Gottesdienst der Neuapostolischen Kirche der Obrigkeit in einem Gebet gedankt. Entsprechend ihrer Glaubenslehre sind sie Untertan der Obrigkeit und haben die Gesetze zu achten. Sie selbst würden es nicht dulden, daß ein Gläubiger ihrer Kirche die Obrigkeit verleumdet.
Er berichtete von einer persönlichen Angelegenheit, die jedoch nur eine Familie seiner Glaubensgemeinschaft betraf. In einer neuapostolischen Familie ist es zwischen den Eltern und deren 15jährigen Sohn zu ernsthaften Auseinandersetzungen gekommen, die in der Form geendet haben, daß der Sohn seine Mutter geschlagen hat. Die Ursachen liegen darin begründet, daß die Eltern nicht duldeten, daß ihr Sohn bereits in der Schulzeit intime Beziehungen zu Mädchen aufnimmt. In ihrer Not sind die Eltern zu ihm gekommen und haben ihren Kummer erzählt. Sie hofften, daß durch ein seelsorgerisches Gespräch zwischen ihm und den Sohn eine Änderung in dessen Verhalten erreicht werden könnte. Es zeigte sich aber, daß der Sohn nicht davon ablassen wird und in dieser Hinsicht sich von seinen Eltern nichts mehr sagen läßt.
Es wurde in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, ob man nicht staatlicherseits eingreifen könnte, was verneint wurde. Es stellte sich auch noch heraus, daß der Sohn seiner Freundin nicht erzählt hat, das er Neuapostolisch ist. Sie jedenfalls gehört keiner Glaubensgemeinschaft an. Die Eltern der Freundin haben keine Einwände, daß ihre Tochter einen Freund hat.
Mitgeteilt: Jünger Meyrich, Hptm. d. K
Quelle: BV Nbg AKAG 215/88, Bl. 25.
6.5.21 Bezirksältester Werner Pflugmacher (IM "Jünger") beteiligte sich an der Verfolgung der in der DDR verbotenen Glaubensgemeinschaft "Zeugen Jehovas" mit besonderer Denunziationsbereitschaft (1981, 1985)
(Hervorhebungen nicht im Original)
"In verschiedenen Polizeiberichten (in Sachsen-Anhalt) wird mitgeteilt, dass erkannte ehemalige Zeugen Jehovas aus den gottesdienstlichen Räumen verwiesen wurden und Mitteilungen an die Polizei erfolgten sowie, dass der zuständige Apostel Oberländer entsprechende Anweisungen erlassen hätte." Quelle: Hubert Kirchner: Die Freikirchen und Religionsgemeinschaften in der DDR in ihrer Zusammenarbeit in der AGCK und in ihrem Verhältnis zum SED-Statt (Materialien der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" [12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages], hg. vom Deutschen Bundestag: Band VI/2: Rolle und Selbstverständnis der Kirchen in den verschiedenen Phasen der SED-Diktatur), Baden-Baden / Frankfurt a.M. 1995, 991.
(Hervorhebungen nicht im Original)
BDVP Neubrandenburg Neubrandenburg, den 25.02.81
Abt. K Dezernat I
B e r i c h t
Am 24.01.81 war der Stammapostel der Neuapostolischen Kirche U r w y l e r (Schweiz) in Eisenach und hat dort einen Apostelgottesdienst durchgeführt. Die Evangelische Kirche hat zu diesem Zwecke ihre Kirche zur Verfügung gestellt. Die Gläubigen sind zu einem Teil aus den Gemeinden Meinigen, Gotha und Erfurt gekommen. Insgesamt gibt es auf dem Gebiet der DDR ca. 90 000 Gläubige. Im Apostelbezirk Mecklenburg beträgt die Zahl der Gläubigen ca. 10 000 Glieder. Die Zahl konnte über Jahre konstant gehalten werden.
Im Februar wurde beim Aposteldienst in Neustrelitz ein Mitglied vom Apostel versiegelt. Es handelt sich um eine Frau im Rentenalter. Diese Person hat Verwandte in Hamburg zu wohnen, die sie im vergangenen Jahr besucht hat. Nach ihren Angaben gehören diese Verwandten den „Zeugen Jehova“ an.
Von der 83jährigen Frau R e i ß m a n n (Mitglied der NAK) wurde bei kürzlich durchgeführten Besuchen festgestellt, daß sie darüber klagte, daß sie nachts nicht schlafen konnte. Als Ursache ihres gestörten Nachtschlafes wurde festgestellt, daß sie einige Broschüren von Zeugen Jehova gelesen hatte, die die Rentnerin von ihren Verwandten aus der BRD mitgebracht hatte. Der Inhalt dieser Broschüren hat sie so erregt, daß sie keinen Schlaf gefunden hatte. In den persönlichen Gespräch wurde erreicht, daß diese ältere Dame (Name wurde nicht genannt) diese Broschüren verbrannt hat.
Im Januar 1981 hat der Bezirksälteste (xxx) sein für die Gemeindearbeit bestelltes Auto erhalten. Die gesamten Kosten für den Skoda werden von der Leitung in Schwerin getragen. Den Bezirksältesten, die alle ebenfalls einen Wagen fahren, der von der Kirche bezahlt wurde, haben persönlich keine Kosten zu tragen. Es ist ihnen frei gestellt, auch für private Zwecke zu nutzen.
F.d.R. gez. Jünger
Meyrich
Hptm.d.K.
Quelle: BV Nbg AKAG 215/88, Bl. 51.
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Dezernat I Neubrandenburg 20.11.85
Treffbericht
Deckname: Jünger
Reg.-Nr. 0056/77
Datum: 20.11.85 von 14.00 bis 15.30
Treffort: Wohnung des IM
Nächster Treff: Mitte Dez. nach telef. Vereinbarung
Zielstellung des Treffs: Situation innerhalb der NAK in Erfahrung bringen
Treffverlauf / -ergebnisse / Realisierung der Auftragserteilung:
Er teilte mit, daß sie wieder den Stammapostel erwarten. Weiterhin schilderte er ausführlich seine Begegnung mit „Zeugen Jehova“ die er zufällig bei seinen Urlaubsbesuch bei einem Glaubensbruder erlebte. Er hat sie auf das Verbotene ihres Tuns hingewiesen, aber wie er sagte ohne Erfolg. Sie erkennen den Staat nicht als Obrigkeit an. Schockierend war für ihm, daß die Tochter der ZJlerin noch fanatischer war als die Frau selbst. Sie legen die Bibel nach ihren Ansichten aus und nehmen das heraus, was sie für ihren Glauben benötigen.
Maßnahmen: BV zu Kenntnis geben
Auftragserteilung / Instruierung / Verhaltenslinie: keine
Einschätzung des Treffs / Verhaltensweise IM:
Am Verhalten keine Veränderung. Er hatte in der vergangenen Woche Geburtstag gehabt und zeigte mir die Blumen, welche ihm der Bezirksapostel geschenkt hat.
Maßnahmen der Erziehung / Schulung:
keine
Quelle: BV Nbg AKAG 215/88, Bl. 202, 203.
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20.5.21 Erste Anwerbung vom BÄ Willy Adam als IM des MfS (Stasibericht von 1960)
Vorbemerkung:
Willy Adam (1921-2010) Ordinationen: 1948 Diakon, 1950 Priester, 1952 Evangelist, 1957 Bezirksältester, 1960 Bischof, 1977 Apostel, 1980 Bezirksapostel
Der Bezirksapostel Willy Adam war bis zum Ende der DDR als IM des MfS unter dem Decknamen IM "Willy" und später noch unter anderen Decknamen tätig.
Am 08. Januar 2006 wurde der Bezirksapostel i. R. Willy Adam von Stammapostel Wilhelm Leber in einem Gottesdienst in der Marienkirche in Neubrandenburg anlässlich der Vollendung seines 85. Lebensjahres als "Ein Vorbild in der Demut" geehrt (s. Zeitschrift "Unsere Familie, Reportage: Zum 85. Geburtstag von Bezirksapostel i. R. Willy Adam, 20. April 2006, 66. Jahrgang, Nr.8).
An diesem Gottesdienst nahmen außer Bezirksapostel Karlheinz Schumacher und den Aposteln aus der Gebietskirche Norddeutschland auch Stammapostel i. R. Richard Fehr sowie die im Ruhestand lebenden Bezirksapostel und Apostel aus dem Osten Deutschlands teil".
(Hervorhebungen nicht im Original)
- Abteilung V/4 - Neustrelitz, d. 22.04.1960
B e r i c h t
Am 28.3. 1960 wurde mit dem Bezirksältesten der Neuapostolischen Kirche, Adam, wohnhaft in Boock gesprochen, mit dem Ziel, ihn als GI zu werben. In der Vergangenheit bestand ein guter Kontakt zu Adam. Im Laufe des Gesprächs kamen wir auf die Brände und die damit im Zusammenhang stehende Inhaftierung des (xxx) aus Boock zu sprechen. (xxx) ist Angehöriger der Neuapostolischen Kirche. Adam erklärte mir, dass er sich nicht vorstellen könne, dass (xxx) an der Brandstiftung beteiligt sei, da er ihn schon seit längerer Zeit kennt und ihn als einen ruhigen und anständigen Menschen schätze.
Auch trotz meiner Argumente liess sich Adam nicht von der Schuld des (xxx) überzeugen und brachte zum Ausdruck, dass man auch in der Gemeinde Boock im allgemeinen so denkt. (Boock ist überwiegend neuapostolisch) Ich sagte dem Adam, dass man nach der Durchführung des Prozesses gegen (xxx) diesen wahrscheinlich in der Gemeinde in einer öffentlichen Versammlung auswerten wird.
A. brachte zum Ausdruck, dass er sich nicht vorstellen kann, dass man aus politischen Motiven Verbrechen begehen kann. Wenn jemand gegen unsere Gesellschaftsordnung etwas unternimmt, dann seiner Meinung nach nicht nur, weil man ihr ablehnend gegenübersteht, sondern in erster Linie, weil er ein „Verbrechertyp“ ist.
Aufgrund dieser Einstellung des A. wird von einer Werbung des A. noch Abstand genommen und weiterhin Kontakt zu ihm gehalten.
Dabei ist mit der KD Pasewalk die Sache mit der Garage in Löcknitz zu klären.
(Kühn)
Ultn
Quelle: MfS BV Nbg. AIM 564/62, Bl. 22.
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